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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Bei aller Begeisterung für den Alchemisten <strong>Faust</strong>, es stellte sich für mich die Frage, ob<br />

es sich bei dem Zettel auch um Notizen eines Apothekers handeln könnte. Bis in das<br />

18. Jhdt. hinein waren in der Apotheke auch Volksmagie und Alchemie vertreten. Auch<br />

ein Apotheker forschte und probierte, entwickelte gegen Krankheiten Mixturen, die er<br />

Gol<strong>des</strong> wert erachtete.<br />

Ein Dozent für Pharmazie-Geschichte versicherte mir allerdings, die Kochanleitungen,<br />

wie auf dem Pergamentzettel notiert, seien gewiss von keinem Apotheker geschrieben<br />

worden.<br />

Bei der Betrachtung <strong>des</strong> Zettels entdeckt man, dass die „Informationen“ durch einen<br />

frei Hand gezogenen Querstrich mittig geteilt sind. Offenkundig handelt es sich um zwei<br />

Informationen. Sodann sieht man an der oberen, wie an der unteren Kante <strong>des</strong><br />

Pergaments, die Reste von durchschnittenen Trennungsstrichen. Bedeutet dies, dass<br />

der Zauberzettel gar nicht die „brisanten Formeln schlechthin“ enthält, sondern Teil<br />

eines größeren Pergaments, einer Formelsammlung war, das in mehrere Zettel<br />

zerschnitten wurde?<br />

In Knittlingen wurden auch „Zauberzettel“ der nachfolgenden Jahrhunderte gefunden.<br />

Diese tragen keine alchemistischen Formeln, sie sind mit Abwehrsprüchen in deutscher<br />

Sprache beschrieben. Sie dienten der Abwehr von Geistern, dem Schutz <strong>des</strong> Hauses<br />

und anderem mehr. Von daher passt der „Zettel“ aus dem Anwesen der Gerlachs nicht<br />

ins Bild, er ist kein Gegenstand der Volksmagie. Die AREPO Formel selbst gehörte<br />

zwar nicht zum Gehe<strong>im</strong>en Wissen, sie verweist aber auf einschlägige Kreise. In<br />

Knittlingen waren die Vertreter jener Art von Gelehrsamkeit nicht unbedingt zu Hause.<br />

Der mit diesen Kreisen jedoch Kontakt hatte und das „Wissen“ nach Knittlingen trug,<br />

das könnte <strong>Faust</strong> gewesen sein.<br />

<strong>Faust</strong> war jedoch nicht der einzige Knittlinger, der in der Welt spazieren ging. Aus einer<br />

Urkunde von 1546 ist ausgerechnet ein Georg Stephan Gerlach überliefert, von Beruf<br />

Steinmetz. Steinmetze mussten sich ihren Broterwerb erwandern, sie gehörten zum<br />

fahrenden Volk. Auch sie hatten sich die Welt erfahren, kenntnisreich waren sie dazu;<br />

man denke an die Kirchen, die damals erbaut wurden. Dass der Zettel „chemische<br />

Formeln“ trägt, bedeutet nicht zwingend, dass jener Steinmetz rein gar nichts damit zu<br />

tun hat. Wer weiß, von welchem bankrotten Dr. Fidibus er den Zettel als besonders<br />

wertvoll erwarb oder gar <strong>im</strong> Auftrag aufbewahrte. Die Liste der denkbaren<br />

Möglichkeiten, wie es sich zugetragen haben könnte, ist endlos.<br />

Gleiches gilt für <strong>Faust</strong>. Unabhängig davon, ob es bei dem Zettel um Rezepte oder um<br />

Vorgänge der Alchemie geht, es kann sein, <strong>Faust</strong> hat den Zettel beschrieben, es kann<br />

genauso gut sein, es ist die Handschrift eines seiner Kollegen.<br />

Der erste Zauberzettel, der tatsächlich drei Wünsche erfüllte: Endlich eine Schriftprobe<br />

<strong>Faust</strong>s, endlich der Beweis, dass er auch Alchemist war und nicht zuletzt der mögliche<br />

Nachweis, dass er sich zumin<strong>des</strong>t in Knittlingen aufgehalten hat. Drei Mal Fehlansage!<br />

Der Zettel fällt in der volksnahen <strong>Faust</strong>forschung unter die Rubrik „Indizien“, scharf<br />

betrachtet, zerbläst er förmlich zu Asche.<br />

1632 wurde Knittlingen durch die Kaiserlichen gebrandschatzt, 1692 wurde es von französischen<br />

Truppen niedergebrannt. Zwe<strong>im</strong>al bot Knittlingen das Bild einer schwarzen<br />

Wüstenei, einer menschenleeren Öde. 1632 wurden alle Männer niedergehauen, die<br />

übrige Bevölkerung nach Bretthe<strong>im</strong> (Bretten) vertrieben, um 1695 braucht es sogar<br />

eine fürstliche Resolution: „… diesen vorhin volkreichen und deß Feld-Baus Halber<br />

sonst einträglichen Ort wieder nach Genüge zu peuplieren (bevölkern).“<br />

Ebenerdig verbautes Holz mochte einen Brand unbeschadet überstehen. Im<br />

günstigsten Fall könnte es sich so verhalten haben, dass die jeweiligen Familien der<br />

Behringer, der Stoffel, der Koppen, sich zusammentaten, die Asche von ihren Hausund<br />

Hofstellen räumten, die in Erdnähe verbauten Balken bargen und gemeinsam für<br />

die ganze Sippe zunächst eine große Notunterkunft errichteten. Als Zweites werden sie<br />

sich wahrscheinlich um ihre Fässer in den Kellern und um ihre Weingärten gekümmert<br />

haben. Bis jede Familie wieder ihr eigenes He<strong>im</strong> hatte, wird es wohl einige Jahre<br />

gebraucht haben.<br />

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