12.01.2013 Aufrufe

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

päpstlichen Finanzgeschäften, be<strong>im</strong> Ablaß erhalten sie bis zu 40% der vereinnahmten<br />

Gelder, <strong>des</strong> weiteren erhalten sie Visitationsrechte in kirchlichen Angelegenheiten vor<br />

Ort. Es beginnt das Lan<strong>des</strong>kirchenreg<strong>im</strong>ent, der Vorläufer der heutigen Lan<strong>des</strong>kirchen.<br />

Ob es um die Neuorganisation eines überalterten Klosters geht, um die Modernisierung<br />

einer alten Stiftung oder um die Verwendung einer neuen großherzigen<br />

Spende, überall beginnen Vertreter der Kirche und reformwillige Christen mit den<br />

Amtmännern der Städte und Fürsten zusammenzuarbeiten.<br />

Neben den kirchlichen Verwaltungsreformern arbeiten auch die Visitatoren der Klöster<br />

Hand in Hand mit weltlichen Institutionen; der Visitator Abt Trithemius trifft nicht <strong>im</strong>mer<br />

auf reformwillige Äbte, gelegentlich braucht es die Policey und die Nacht, um sich<br />

Zutritt in ein Kloster zu verschaffen. Filmreife Szenen spielen sich dann gelegentlich<br />

ab, wenn der Visitator aus den Betten jagt, was nicht hinein gehört, das Silberbesteck<br />

aus den Kästen wirft, die schönen Pelzmäntel aus den Truhen zerrt. Und eine Äbtissin<br />

respektvoll mit „Schwester“ anzureden, bewirkt auch nicht <strong>im</strong>mer Reformwilligkeit.<br />

Zwei hochgezogene Brauen sind die Antwort, und: „Mein Herr Bruder geht in Eisen!<br />

Mein Herr Bruder ist Herr zu Löwenstein! Auch hat meinen Nonnen niemand gesagt,<br />

dass sie hier nach den Regeln alter Mönche von vor tausend Jahren leben werden!“<br />

Der christliche Reformwille kommt den weltlichen Kräften sehr zu pass, kleinweis<br />

sichern sie sich Rechtsansprüche, behutsam schieben sie ihre Amtleute in kirchliches<br />

Terrain hinein.<br />

Dass es Luther nicht gebraucht hätte, wie einige Autoren meinen, da die Reformation<br />

bereits in Gang gekommen war, geht freilich zu weit. Ein Abt Trithemius ist ein hoch<br />

privilegierter Vertreter der Feudalgesellschaft, er will gute alte Ordnung und die klare<br />

Unterscheidung zwischen dem, was unten ist und dem, was oben schw<strong>im</strong>mt. Der<br />

gängigen Kritik am verlotterten Papsttum oder am ungeniert prunkvollen Auftreten der<br />

kirchlichen Würdenträger enthält er sich; Mißstände, die Luther bereits kaum mehr<br />

interessieren, 1517 greift er den Ablasshandel an, 1519 stellt er bei der Leipziger<br />

Disputation die Unfehlbarkeit <strong>des</strong> Papstes und der Konzilien in Frage.<br />

Von den Geschäften der hohen Politik weiß man in der Öffentlickeit so gut wie nichts,<br />

der Zorn der Bevölkerung erwächst aus dem, was sie täglich unmittelbar vor Ort erlebt:<br />

„Der Apt hat uns einen auslendischen, fremden Unmenschen als Kastner, Schultheiß<br />

und Zehntrichter gesetzt, unkundig <strong>des</strong> Landbrauchs und nit sonderlich verwandt.<br />

Selbiger hat die gemeinde beschwert mit schinden, schaben und schatzen und keinen<br />

armen zum verhör kommen lassen, sofort eingesperrt und hohes Kostgeld erpresst.“<br />

„…das Domkapitel und die mönche sind gänzlich ohn nutz! / Täglich mehr überlast<br />

und beschwerung mit wildpret, zinsen, fronen, reis (Wehrsteuer), mehrung der gülten<br />

und steuern samt andern übeln.“<br />

Nicht allein über das römische Recht, das die Menschen nicht kennen und folglich als<br />

Unrecht empfinden, <strong>des</strong>sen zügige Einführung bei gleichzeitigem Mangel an ausgebildeten<br />

Juristen selbstredend auch zu Unrechtsurteilen führt, sondern auch über die<br />

fortgesetzte Beschneidung der Zuständigkeit bäuerlicher Gerichtsbarkeit „unter der<br />

Linde“, zerstören die Fürsten die hergebrachte bäuerliche Selbstverwaltung.<br />

Für Aufregung sorgt auch die Willkür der neuartigen Policey. Und neben anderen<br />

widrigen Neuerungen, steigen die Steuern, dazu werden fortlaufend neue Steuern<br />

erfunden: Türkensteuer, Biersteuer, Ungeld (Mehrwertsteuer), Klauengeld<br />

(Viehsteuer), Weinsteuer, Bodengeld (zur Befreiung der Insel Rhodos von den<br />

Türken), Guldengeld (zum Abbau der angehäuften Schulden der Lan<strong>des</strong>herrn),<br />

Weihsteuer (Kosten der Bischofsweihe), Todfallsteuer (Tod <strong>des</strong> Bauern), Erbteilsteuer,<br />

Kriegssteuer (selbst wenn kein Krieg herrscht), Bethen (aus einmalig erbetenen<br />

Sondersteuern resultierende Dauersteuern) …<br />

Ärger grassiert auch in den Städtchen und Städten.<br />

„Es unterstehen sich die vögte der adeligen in ihren schlössern, häusern und dorfern<br />

mit hantierungen <strong>des</strong> handels, mit brauen, mulzen und schankstatt, wollen kaufen<br />

salz, eisen, butter, wolle und alle hantierungen, wie die namen hat, keine<br />

ausgenommen, davon wir unsere erhaltung und narung in den stätten haben sollen.<br />

Das alles wird uns vom adel und den iren mit gewalt entzogen und genommen.“<br />

24

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!