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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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zuletzt ist der Aberglaube in Rechnung zu stellen. Der Geschädigte verzichtete auf eine<br />

Anzeige, er fürchtete, dass <strong>Faust</strong> sich über Geister und Dämonen an ihm rächte.<br />

Erschwerend für eine Klageerhebung, die anfallenden Gerichtskosten mussten seitens<br />

<strong>des</strong> Klägers damals <strong>im</strong> Voraus bezahlt werden. Sollte man dem Verlust noch mal Geld<br />

hinterher werfen?<br />

„… der auch sovil seltzamer hendel gehapt hat hin und wider“ heißt es in der<br />

Z<strong>im</strong>mer`schen Chronik. „Hendel“ bedeutet in Schwaben bis heute: Ärger und Streit.<br />

Sollte „seltzamer hendel“ bedeuten, dass es komplizierte Rechtsstreitigkeiten gegeben<br />

hatte? Kompliziert <strong>des</strong>halb, weil <strong>Faust</strong> seine Betrügereien sehr verschlungen<br />

anzulegen gewusst hatte. Über Rechtsstreitigkeiten ist nichts bekannt. Sieht man von<br />

der Sage einer Inhaftierung in Batenberg ab, dann ist auch nichts über eine<br />

Verurteilung bekannt. Der Vollständigkeit halber sei es gesagt, Urteile waren damals<br />

auch käuflich.<br />

Oder ist „seltzamer hendel“ derart zu verstehen, dass <strong>Faust</strong> bei seinen Betrugsgeschäften,<br />

zwecks Verschleierung, Ablenkung, Täuschung oder auch nur zu seinem<br />

Gaudium, mit seinen Kunden merkwürdige Vereinbarungen getroffen, aus Übermut<br />

ihnen ungewöhnliche, verrückte Handlungen auferlegt hatte. Der Phantasie, welche<br />

Narrheiten sich <strong>Faust</strong> ausgedacht haben mochte, sind keine Grenzen gesetzt. „Binde<br />

be<strong>im</strong> nächsten Vollmond die Sau auf die Kuh!“ / „Gehe nachts mit einer Räucherpfanne<br />

rückwärts schreitend die Grenzen deiner Äcker ab!“ / „Reite sonntags auf einem<br />

schwarzen Ziegenbock dre<strong>im</strong>al um die Kirche!“ …<br />

Wahrscheinlich war Trithemius auch bekannt, was <strong>Faust</strong> abseits der Städte <strong>im</strong><br />

Hinterland trieb, dass er dort nicht nur als Chiromant auftrat, sondern den Bauern unter<br />

falschen Vorspiegelungen das Geld aus der Tasche zog. So wie die Städte ihre Spitzel<br />

in die gehe<strong>im</strong>en Versammlungen in den Wäldern <strong>im</strong> Bereich ihrer Landwehren<br />

schickten, so richtete sich das Augenmerk auch auf die rebellische Landbevölkerung.<br />

Dass <strong>Faust</strong> dabei niemals ergriffen, niemals gegen ihn vorgegangen wurde, muss<br />

befremden. Insbesondere wenn man in Rechnung stellt, wie harsch gegen Straftäter<br />

damals vorgegangen wurde.<br />

In einem Bericht aus dem Jahr 1517 <strong>des</strong> Antonio de Beatis, er begleitete Kardinal Luigi<br />

d` Aragona auf <strong>des</strong>sen Deutschlandreise, heißt es, dass überall Äcker, Vieh und Gänse<br />

sind, viel Wohlstand herrsche und „Überall fanden wir unzählige Räder und Galgen …<br />

mit Gehenkten … worunter bisweilen Frauen waren, so dass man sieht, dass strenge<br />

Rechtspflege geübt wird, was ohne Zweifel in diesem Land sehr nötig ist.“<br />

De Beatis sieht die Galgen, er erkennt nicht, dass die Gehenkten das Resultat einer<br />

derart dramatischen sozialen Schieflage sind, dass es durchaus eine „vergnügliche“<br />

Alternative darstellt, sich als Schwerkr<strong>im</strong>ineller mit Pferdediebstählen, Räubereien,<br />

Mord und Erpressung ein schönes, kurzes Leben zu machen. De Beatis schreibt nichts<br />

von der verlumpten Armut <strong>des</strong> wandernden Volkes. Von der Landbevölkerung selbst,<br />

berichtet er nur summarisch, dass die Männer kräftig und die Frauen anmutig seien.<br />

Er schaut den Dingen nicht auf den Grund. Warum sollte er auch? Er ist von<br />

privilegiertem Stand und, nicht anders als in Italien, sind Bauern in Deutschland auch<br />

nur Tölpel, brauchbare Söldner, Volk, das nach gottgewollter Ordnung die Abgaben zu<br />

entrichten hat.<br />

Aus demselben Grund berichtet Trithemius nichts darüber, dass <strong>Faust</strong> die Bauern<br />

betrügt. Bauern interessieren Trithemius nur als Aufrührer, sie darüber hinaus zur<br />

Kenntnis zu nehmen, es wäre ein faux pas, Johannes Virdung, der Empfänger <strong>des</strong><br />

Schreibens, wäre irritiert gewesen.<br />

„Paur“ ist ein Sch<strong>im</strong>pfwort. „Es schadet nit, wenn man ainen Pauern schon einen<br />

Schelm heuß!“ erklärte damals ein Münchner Bürger vor Gericht. Und dass Bauern<br />

fressen und saufen – sich bei einem Fest so richtig erst zu freuen wissen, wenn sie<br />

sich prügeln bis zum Blutvergießen, weiß alle Welt. Und <strong>des</strong>halb „beten“ selbst die<br />

Scholaren bei ihren Gelagen noch <strong>im</strong>mer die alten Spottverse aus dem Hohen<br />

Mittelalter: „Allmächtiger Gott, der du Zwietracht zwischen Klerikern (Gebildeten) und<br />

Bauern gesät hast, lass uns von der Arbeit der Bauern leben, ihre Frauen und Töchter<br />

genießen, an ihrem Verderben uns erfreuen!“<br />

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