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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Ein Mensch mit einer derartigen „Gabe“ wäre auch in unserer Zeit schlicht ein<br />

Ungeheuer. Ob als Kunde, der einem Anlageberater gegenüber sitzt, ob als Autokäufer<br />

oder einfach nur als Lebenspartner. Es beruhigt zu wissen, Menschen mit der<br />

<strong>Faust</strong> unterstellten Fähigkeit sind eine große Ausnahme.<br />

Es ist eine Kunst, die man zum Nutzen der Menschen verwenden kann. Dass <strong>Faust</strong><br />

sie segensreich angewendet hätte, abgesehen vom Segen für sich selbst, ist<br />

nirgendwo zu greifen. Mit Lerche<strong>im</strong>er gesagt: „… lebete wie ein lotterbube / war ein<br />

schmarotzer / fraß sauff vnd ernehrete sich von seiner gauckeley.“<br />

So betrachtet ist die Aussage der „Historia“ doch richtig: <strong>Faust</strong>, ein hoch begabter<br />

Mensch, der sich für das Schlechte entschieden hat.<br />

*<br />

Begardi vernichtete <strong>Faust</strong> – Der Mord, der ein Selbstmord war<br />

Der letzte der Quellentexte, der zweifelsfrei belegt, dass <strong>Faust</strong> zum Zeitpunkt der<br />

Niederschrift noch lebte, ist der Brief <strong>des</strong> Joach<strong>im</strong> Camerarius an Daniel Stibarius in<br />

Würzburg vom 13.8.1536.<br />

Im Jahr 1538 schreibt der Wormser Stadtarzt Begardi an seinem „Index Sanitatis“, <strong>im</strong><br />

Jahr 1539 gelangt das Werk zum Druck. Darin heißt es: „Dann er ist vor etlichen jaren<br />

vast durch alle landtschafft, Fürstenthuomb vnnd Königreich gezogen,…“<br />

Obgleich die Formulierung nicht zwingend besagt, dass <strong>Faust</strong> inzwischen verstorben<br />

war, führte sie dazu, dass ein Teil der <strong>Faust</strong>forscher das Jahr 1537 als <strong>Faust</strong>s To<strong>des</strong>jahr<br />

betrachtete. Der Annahme förderlich war die Formulierung „hin ist hin“ <strong>im</strong> Schluß<br />

<strong>des</strong> Textes, eine eher launische Feststellung, die zudem aus dem Zusammenhang<br />

gerissen ist, denn sie bezieht sich auf das Geld, das <strong>Faust</strong> den Menschen abgeluchst<br />

hatte. Die volle Aussage lautet: „Doch hat er sich <strong>im</strong>m gelt nehmen, oder empfahen –<br />

das ich auch recht red – nit gesaumpt, vnd nachmals auch <strong>im</strong>m abzugk, er hat, wie ich<br />

beracht, vil mit den ferßen gesegnet. Aber was soll man nuon darzuothuon, hin ist hin,<br />

ich wil es jetzt auch do bei lassen, …“<br />

Dass <strong>Faust</strong> zum Zeitpunkt der Niederschrift, also 1538, noch unter den Lebenden<br />

weilte, wird auch dadurch fassbar, dass nichts von den wilden Vermutungen, die nach<br />

<strong>Faust</strong>s grässlichen Sterben die Lande durchwehten, in den Ausführungen Begardis<br />

spürbar wird.<br />

„Vor etlichen jahren“ darf wohl so verstanden werden, dass <strong>Faust</strong> sich außerhalb <strong>des</strong><br />

Wahrnehmungsbereichs Begardis aufhielt, also die Rheinpfalz nicht mehr bereiste.<br />

25 Jahre nach Erscheinen <strong>des</strong> „Index Sanitatis“ wird die Z<strong>im</strong>merische Chronik<br />

niedergeschrieben, dort steht zu lesen: „ …Es ist auch umb die zeit (<strong>des</strong> Reichstags<br />

zu Regensburg, 1541) der <strong>Faust</strong>us … gestorben“.<br />

Die Z<strong>im</strong>merische Chronik ist zwar nur ein Indizientext, jedoch von ihrem Hintergrund<br />

her, auf den noch eingegangen werden wird, von hoher Glaubwürdigkeit; folglich hat<br />

man sich darauf verständigt, dass <strong>Faust</strong> um das Jahr 1540 verstorben ist.<br />

Für jene Zeit hatte <strong>Faust</strong> bereits ein hohes Alter. Erstaunlich genug für einen<br />

Menschen, der gewiss unter abenteuerlichsten Begleitumständen ein Leben als<br />

Reisender zugebracht hatte; wenn er auch selbst Arzt war, gewiss hatte er inzwischen<br />

mit gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen.<br />

Nicht nur Luther und sein eigenes Alter zwingen ihn, langsamer zu treten. Die<br />

deutschen Landschaften sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren, sie sind ihm<br />

untreu geworden. Aufruhr und Spott samt aller Visionen einer gerechteren Welt sind<br />

verblasen, die herrlich aufrührerischen, geradezu faustischen Jahre <strong>des</strong> Alles oder<br />

Nichts sind vorbei.<br />

Für den heutigen Mensch wird dieser Wandel am schnellsten mit einem Blick auf die<br />

Geschichte der deutschen Malerei fassbar. Niemals wieder wurde eine derartige Fülle<br />

von eindrucksvoller Malerei geschaffen als wie in den Jahrzehnten vor Luther bzw. vor<br />

dem Großen Bauernkrieg. Bekanntestes Beispiel ist Hieronymus Bosch, seine Kunst<br />

reichte hin, um selbst noch einen Dalì zu inspirieren.<br />

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