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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Wettertagebuch. Er hatte zwar nicht behalten, ob <strong>Faust</strong> sich als Lehrer oder Komtur<br />

vorgestellt hatte, die Planetenkonstellation hatte er sich jedoch gemerkt<br />

Astrologie setzte Kenntnisse der Astronomie voraus, sie brauchte Kenntnisse <strong>des</strong><br />

Sternenh<strong>im</strong>mels und der Planetenbewegungen, es bedeutete den Umgang mit<br />

Tabellen, mit verschiedenen Recheninstrumenten. Und schließlich die Interpretation,<br />

die Ausdeutung der Geneigtheit der Sterne, die Findung der „wahren Aussage“.<br />

Auch wenn man einer Klostergemeinschaft angehörte, weltfremd man war <strong>des</strong>halb<br />

nicht; man konnte es sich auch gar nicht leisten. Die Astrologie schärfte nicht zuletzt<br />

den Verstand, und der war bei einem künftigen Pater <strong>des</strong> Klosters Maulbronn das<br />

wichtigste überhaupt, nicht nur anspruchsvolle Verwaltungsaufgaben erwarteten ihn,<br />

das Kloster befand sich in nicht mehr überschaubaren Schwierigkeiten.<br />

Noch fehlen zwanzig Jahre bis Luther und keine dreißig Jahre bis zum Bauernkrieg, die<br />

Luft brennt aber bereits. Sabotage, Spott, Pfandbruch, Schlägereien, Pöbeleien und<br />

Missachtung <strong>des</strong> Gerichts sind alltäglich geworden. Dieser Unruhe ist weder <strong>im</strong> Guten<br />

noch mit Härte beizukommen. Man kann es geradezu greifen, da draußen braute sich<br />

etwas zusammen.<br />

In Vorbereitung auf die vielfältigen Aufgaben, nicht zuletzt, weil es den Personalkörper<br />

entlastete, wurden die Kandidaten eventuell auch mit ersten Verwaltungsarbeiten<br />

betraut. Es mussten Bestandslisten übertragen, die von den Pfleghäusern hereingereichten<br />

Zahlenkolonnen gegengerechnet werden und anderes mehr.<br />

Ein deutlicher Hinweis, dass <strong>Faust</strong> nicht nur mit der Außenansicht eines Klosters<br />

vertraut war, sondern sich auch gut mit <strong>des</strong>sen Innenleben auskannte, findet sich in<br />

dem vorgenannten Wettertagebuch <strong>des</strong> Priors: „Er versicherte, dass er Komtur oder<br />

Lehrer eines kleinen Ordenshauses der Johanniter an der Grenze Kärntens gelegen<br />

sei, namens Hallestein.“<br />

Ob sich nun <strong>Faust</strong> als Lehrer oder gar als Komtur in einem Ordenshaus der Johanniter<br />

ausgegeben hatte, in beiden Fällen bedeutete es für seinen Gesprächspartner, dass<br />

<strong>Faust</strong> zumin<strong>des</strong>t die niederen kirchlichen Weihen besaß. Das heißt nichts weniger, als<br />

dass <strong>Faust</strong> mit dem Gros der Fachbegriffe sowohl der Theologie, als auch <strong>des</strong><br />

kirchlichen Lebens vertraut war. Offenkundig sah <strong>Faust</strong> kein Problem darin, dass er in<br />

ein Gespräch über theologische oder kirchlich-organisatorische, eventuell sogar über<br />

disziplinarische Fragen verwickelt wurde.<br />

Dass er sich mit den Ordensregeln der Johanniter auskannte, ist ein weiterer<br />

Fingerzeig auf Maulbronn. Es gehört zu den Selbstverständlichkeiten mönchischen<br />

Lebens, dass man über die Regeln anderer Orden Bescheid weiß. Man weiß um deren<br />

Zustandekommen, man unterhält sich über deren Vor- und Nachteile.<br />

Auch <strong>Faust</strong>s Wissensbereiche, wie sie aus den Quellen ersichtlich werden, st<strong>im</strong>men<br />

punktgenau mit dem Wissensangebot eines bedeutungsvollen Klosters jener Zeit<br />

überein und auch in dem, was <strong>Faust</strong> nicht beherrschte. Der Gebildete seiner Zeit<br />

beherrschte bis zu fünf Fremdsprachen und mehr, <strong>Faust</strong> sprach Deutsch und Latein.<br />

Ein Schüler, der für ein Wirken in Maulbronn vorgesehen war, brauchte keine<br />

Fremdsprachen. Das wäre unnötige Weltläufigkeit gewesen. Dass er am Ende doch<br />

davon und in die Welt lief, vielleicht war es ihm langweilig geworden. Gutmöglich auch,<br />

dass die Patres diesen „Ausbund“ eines Tages vor die Tür setzten und damit auf ihre<br />

Weise dazu beitrugen, dass <strong>Faust</strong> zum Teufelsbündner wurde. Dass völlige Abkehr auf<br />

starke Anziehung folgen kann, dafür gibt es prominente Beispiele.<br />

Und <strong>Faust</strong>? Ihm war das nur egal. Er war siebzehn Jahre jung und verrückt nach<br />

Leben. Erstmal bei der Bocke Madel vorbeischauen und dann …<br />

Man könnte geneigt sein, das Kloster Maulbronn als <strong>Faust</strong>s Bildungsstätte zu sehen.<br />

Für diesen Fall stellt sich allerdings eine Frage völlig anderer Art.<br />

Es wurde bereits angesprochen, die lutherische Kirchenleitung muss über <strong>Faust</strong> gut<br />

informiert gewesen sein. Falls <strong>Faust</strong> einige Jahre <strong>im</strong> Kloster Maulbronn zugebracht<br />

hatte, dann war das in Knittlingen jedermann bekannt, also auch später der<br />

Lutherischen Kirche, zuvorderst aber Philipp Melanchthon.<br />

Führt man sich den erbitterten Streit zwischen Lutheranern und Katholiken vor Augen,<br />

die höhnischen Flugschriften, die vor Spott tropfenden Schmähartikel, dann ist schlecht<br />

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