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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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den Baugrund für das neue zu entdecken, beziehungsweise den alten verschütteten<br />

Baugrund wieder freizulegen.<br />

Der Gedanke der „Reinheit“ gewinnt eine eigene Autorität, wird zum Programm, zum<br />

Nomos und Lebensinhalt schlechthin. Sprachen und Bildungsinhalte sind frei zu legen,<br />

damit den Menschen ein freier Einblick wird, der sie wiederum befähigt, ohne jede<br />

weitere Anleitung richtig zu handeln, weil sie dann gar nicht mehr anders können, als<br />

richtig zu handeln.<br />

Der junge Luther gibt seinen Anhängern anfangs keine Anweisungen, er macht ihnen<br />

keine Vorschriften, er ist der festen Überzeugung, dass der Zugang zur reinen Lehre<br />

den neuen Gemeinden nun von selbst den Weg weisen werde, die Messe zu feiern, die<br />

Finanzen <strong>des</strong> „gemeinen kastens“ in der Gemeinde zu regeln und anderes mehr.<br />

Andere Zeitgenossen folgern aus dem Werk der Bibel, über welche Gott auf die Seele<br />

<strong>des</strong> Menschen wirke, dass es dazu analog etwas geben müsse, das auf die Materie<br />

wirke; eine Formel, einen zentralen Schlüssel, der die Türen zu den Kammern der<br />

Materie aufsprenge.<br />

Begriffe wie Stein der Weisen, Theriak – das Allheilmittel, Wasser <strong>des</strong> Lebens,<br />

Gesundbrunnen, Goldmachen, sind uns auch heute noch geläufig, allerdings als<br />

Metaphern für das Unmögliche.<br />

Das Voynich-Manuskript, etwa aus dieser Zeit, kann nur als ein Versuch erklärt<br />

werden, sich einen derartigen Zentraltext zu erschaffen. Es ist nicht entziffert und<br />

wahrscheinlich auch nicht entzifferbar. Es will scheinen, dass <strong>im</strong> Rhythmus magischer<br />

Zahlen Texte miteinander gemixt wurden. Texte aus der Kabbala, Teile der Bücher<br />

Moses, d. h. Hebräisch, mit Texten in anderer Sprache, welcher Inhalte auch <strong>im</strong>mer.<br />

Eine Art Urknalltext, um etwas zu zwingen, zu bannen, herbei zu schaffen, zu<br />

erzeugen.<br />

Das Voynich-Manuskript steht <strong>im</strong> Internet, es verdeutlicht auf anschauliche Weise, mit<br />

welcher Energie und Überzeugung man den Weg zu „höherem Wissen“ suchte.<br />

Möglicherweise ist die Entstehung <strong>des</strong> Manuskripts ein oder zwei Jahrzehnte vor der<br />

Drucklegung Platons anzusiedeln, und passend zu Marsiglio Ficino auch in Ober-Italien<br />

geschrieben. Dann wäre es ein beredtes Beispiel dafür, wie stark die Kräfte waren, die<br />

zum Neuen drängten. Kräfte, die sich schließlich in der Welt der Philosophie und der<br />

„alten Reinheit“ der Sprachen freisetzten; die naturwissenschaftlichen Bereiche hatten<br />

zu warten, es mangelte an Grundwissen.<br />

Diese Lust, zum Urgrund <strong>des</strong> Wissens zu gelangen, mündet teilweise in Bildungsskepsis,<br />

schlug gar in Bildungsfeindlichkeit um.<br />

Paracelsus empfiehlt seinen Studenten „zu alten Weibern, Zigeunern, Schwarzkünstlern,<br />

Landfahrern, alten Bauersleuten in die Schul zu gehen und lernen … die<br />

haben mehr Wissen … denn alle Hohen Schulen.“ Womit er sich freilich in Widerspruch<br />

zu den Humanisten begibt; ein Philipp Melanchthon hält reinweg gar nichts davon, die<br />

Behandlung von Krankheiten mit Intuition und Erfahrung anzugehen, noch weniger hält<br />

er von alten Weibern, Zigeunern, Schwarzkünstlern und Landfahrern, er will den ausgebildeten<br />

Arzt. Paracelsus befindet sich keineswegs <strong>im</strong> Widerspruch zu seinem Ziel<br />

reine Wirkstoffe herzustellen, wenn er gleichzeitig die reine Magie forciert, wenn er rät,<br />

dass der Kranke ein Bild seines schmerzenden Körperteils in Wachs fertige, sich dabei<br />

völlig auf den Schmerz und das entstehende Bild zu konzentrieren habe, um es dann<br />

andachtsvoll zu verbrennen. Neben der Wirkung der Essenz zur Behandlung objektiver<br />

Erkrankungen geht es auch um die Aktivierung selbstheilender Kräfte, um die<br />

offenkundig psychosomatischen Krankheiten, die – wie es scheint, recht häufig<br />

auftraten, zu behandeln; hinter welchen er allerdings, nicht anders als Melanchthon,<br />

verschiedene Zauber vermutete.<br />

Auch Ulrich von Hutten (1488-1523) sucht seinen Baugrund, um nicht zu sagen, die<br />

Baugrundstücke und Landschaften, die einst dem Adel gehörten und längst Eigentum<br />

aller Welt und zuvorderst der Kirche sind. Er träumt von der Wiederherstellung<br />

glanzvollen Rittertums. Einer seiner polemischen Schriften voran gestellt heißt es:<br />

„Latein ich vor geschriben hab, das was e<strong>im</strong> jeden nit bekandt. Jetzt schreyb ich an das<br />

vatterlandt, Tewtsch nation in irer sprach.“ Sodann legt er dar, die Geschichte <strong>des</strong><br />

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