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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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<strong>des</strong> Zeitgeists dachte, wissenschaftliche Erkenntnisse nicht hinterfragte, dann hatte er<br />

gerade soviel an Wissen, wie er das Wissen anderer greifen konnte, jedoch keinen<br />

Fingerbreit mehr. Was also hätte er in einem Buch niederlegen sollen?<br />

Zu seiner Entschuldigung muss gesagt werden: wer über eine derartige Fähigkeit verfügt,<br />

gibt sich vermutlich keinen Illusionen über den „neuen Menschen“ hin, wer derart<br />

leicht sein Geld verdient, dem ist wahrscheinlich auch die Motivation zu jeder Anstrengung<br />

in den Wissenschaften genommen. Diese Fähigkeit kommt einem lebenslänglichen<br />

Lotto-Sechser gleich.<br />

Was nicht bedeuten muss, dass <strong>Faust</strong> keinerlei Ambitionen in der Alchemie, der<br />

Medizin oder der Astrologie gehabt hätte. Das Gegenteil ist zu vermuten, gerade weil<br />

er diese herausragende Belastung besaß, wird er überaus ehrgeizig gewesen sein.<br />

Gutmöglich war er jedoch ein Mensch mit durchschnittlichen Gaben, allein die Fähigkeit,<br />

Gedanken zu lesen, gab ihm einen eigenen Rang.<br />

Was seinen Rang in der Literatur angeht, so sei noch mal Stephan Füssel zitiert:<br />

„Mit dem Namen <strong>des</strong> Doktor <strong>Faust</strong> verknüpfen sich die tragische Schönheit sowie die<br />

Gewalt <strong>des</strong> Willens sich über Menschenmaß zu erheben mit der Verwegenheit<br />

menschlichen Geistes <strong>im</strong> Drang nach Erkenntnis.“<br />

Die Literatur hat <strong>Faust</strong> – freilich auf Grund seiner rätselhaften Kunst, deutlich mehr an<br />

Größe gegeben, als ihm vermutlich selbst zu Eigen war.<br />

<strong>Faust</strong> hätte mit der ihm unterstellten telepathischen Fähigkeit auch leicht als Kaufmann<br />

oder als Berater eines Diplomaten seinen Lebensunterhalt bestreiten können.<br />

Ein brausen<strong>des</strong> Bad der Bewunderung ist allerdings auch nicht zu verachten; mit den<br />

Nasen und Augen <strong>des</strong> Publikums Jo-Jo zu spielen, die St<strong>im</strong>mung hinauf- und hinunter<br />

zu reizen, den Saal zum Kochen zu bringen. Dazu die frechen, ungezügelten Sprüche,<br />

sie müssen ihm genauso ein Bedürfnis gewesen sein, wie fernab der Welt einem<br />

reichen Bauern das passende Spinnennetz vor die Augen zu weben.<br />

Abgesehen von seiner eitlen Lust am Auftritt, seine Kunst innerhalb einer üblichen<br />

Tätigkeit zu Geld zu machen, es konnte ihn nicht reizen. Um mit seiner Kunst richtig<br />

Geld einzusacken, dafür musste er sie als Mittel zum Betrug einsetzen.<br />

Ein kleiner Lateinschüler, der gewahr wird, dass der Platz neben dem Pr<strong>im</strong>us ihn das<br />

Wissen <strong>des</strong> Pr<strong>im</strong>us greifen lässt, wird nicht beflügelt, besonders fleißig zu sein. Im<br />

Gegenteil, die Erkenntnis ernährt einmal die Faulheit, zum anderen reizt sie, aus der<br />

Fähigkeit mit dem geringsten Aufwand den größten Nutzen zu schlagen. Ein derart<br />

belasteter Mensch wird geradewegs dazu verführt, seine schlechten Anlagen<br />

auszubilden.<br />

Gutmöglich löst die unterstellte Fähigkeit auch die ungeklärte Frage, wo <strong>Faust</strong> seine<br />

Ausbildung erhielt. Vielleicht hatte er eine Lateinschule besucht, der gewaltige übrige<br />

Anteil behaupteten akademischen Wissens bestand aus „zusammengeklauten<br />

Bruchstücken“. Anders gesagt, er verfügte über keine nenneswerte Ausbildung, was er<br />

freilich Dank seiner Begabung zu kaschieren wusste. Auch dürften sich seine Kunden<br />

weniger für den gebildeten <strong>Faust</strong> interessiert haben, als für den Mann, der viele<br />

verborgene Dingte sagte.<br />

Eventuell hatte er doch einst als halbwüchsiger Analphabet auf dem Kutschbock eines<br />

fahrenden Magiers oder Astrologen Platz genommen. Ausgestattet mit einer<br />

derartigen Belastung brauchte er sich nicht als billiger Pferdeknecht und Helfershelfer<br />

hergeben, mit dieser Art von Kapital war er mehr als ein gleichberechtigter Partner. Er<br />

war jemand, mit <strong>des</strong>sen Hilfe sich der Lebensunterhalt auf leichte Weise verdienen<br />

ließ, den man an sich zu binden suchte, dem man auch gerne Lesen und Schreiben<br />

und Latein sowie die Kunst der Astrologie beibrachte.<br />

Eventuell erklärt sich mit der ihm unterstellten Fähigkeit auch sein Zorn auf die<br />

Gebildeten. Er hatte zwar Zugriff auf die aktuellen Gedanken seines Gegenübers,<br />

Zugriff auf das gewachsene Wissen eines Gebildeten hatte er jedoch nicht. Was er<br />

abgreifen konnte, reichte zum Blendwerk; ihm selbst dürfte bewusst gewesen sein,<br />

dass er stets auf die Gebildeten angewiesen blieb.<br />

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