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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Wir wissen nicht, wie der niedere Adel, der <strong>im</strong> Hinterland <strong>im</strong> Auftrag der Fürsten<br />

schlecht entlohnte Ordnungsaufgaben wahrnahm, auf <strong>Faust</strong> Betrügereien reagierte.<br />

War er empört oder gar selbst gelegentlich Beute? Was den Adel, der am fürstlichen<br />

Hof seine Zeit mit Geschwätz und Prassen verschwendete, betrifft, er war das Opfer<br />

der legalen Betrügereien, nämlich der Horoskope, die <strong>Faust</strong> erarbeitete.<br />

Die frechen Sprüche, die <strong>Faust</strong> irgendwo geklopft hatte, die tollen Geschichten, die<br />

über <strong>Faust</strong> <strong>im</strong> Umlauf waren, für den Adel bei Hofe war das den nächsten guten<br />

Schluck und ein begeistertes „Vivat“ wert. Was soll man denn auch sonst mit dem<br />

„dummen Peupel“ machen, als seinen Spaß daran zu haben. Ganz zu schweigen von<br />

den „Pauren, die blödig glotzten“, wenn man ihnen bei der Herbstjagd wieder die<br />

Wiesen zu Dreck ritt.<br />

„Die Beschwerden der Bauern? Dafür ist <strong>des</strong> Fürsten Hofmeister zuständig!“<br />

Der hohe Adel bei Hofe und andere einflussreiche Personen, die zu <strong>Faust</strong>s Kontaktgeflecht<br />

zählten, sie könnten in ihrer Missachtung der unteren Volksschichten unter<br />

anderem dafür verantwortlich sein, dass <strong>Faust</strong> offenkundig niemals für irgendetwas<br />

belangt wurde. Sie hatten kein Interesse daran, dass <strong>Faust</strong> vom Pflock los gebunden<br />

wurde, den Rücken von zwanzig Peitschenhieben zerschnitten, sie brauchten ihn<br />

komplett, so wie er war, und nur so war er richtig; ein guter Astrologe und wichtiger<br />

Gesprächspartner. Abgesehen davon, ein Astrologe weiß sehr viel, wenn nicht sogar<br />

alles über seine Kunden, freilich auch Sachen, die er besser nicht wüsste. Politische<br />

Neigungen, Interessen, Verbindungen, Handsalbungen; kurzum, er weiß Dinge, über<br />

die er hoffentlich den Mund halten wird.<br />

Anders gestaltete sich der Ärger, welchen <strong>Faust</strong> den Humanisten bereitete. Er maßte<br />

sich akademische Titel an und zerrte die Wissenschaften durch den Kot der Gassen<br />

Wenn auch die Gelehrten gegenüber <strong>Faust</strong> machtlos waren, ihre Rache an Leuten<br />

seines Schlages war fürchterlich. Ganz gleich, ob Philipp Melanchthon oder Joach<strong>im</strong><br />

Camerarius, sie und ihr gebildeter Anhang machten aller Bildung und Wissen, die nicht<br />

den Segen einer Universität hatten, den Garaus, machten „Kristallenseher, Murmelthierschmelzer<br />

und Quacksalber“ lächerlich und jagten sie aus den Gassen. Kurzum,<br />

sie brachten Ordnung in das Bildungssystem und den Rest dorthin, wo er hin gehörte,<br />

wenn es sein musste, auch auf den Scheiterhaufen.<br />

Zusammenfassend betrachtet: die für uns erkennbaren Fälle unterlassener Strafverfolgung<br />

erklären sich in Teilen einmal durch das Fehlen einer übergreifenden Exekutive,<br />

sodann durch das seinerzeitige Denken und Handeln in einer Feudalgesellschaft, und<br />

wahrscheinlich auch dadurch, dass <strong>Faust</strong> seine Betrügereien überaus verschlungen<br />

anlegte. Nicht zuletzt waren möglicher Weise die Interessen prominenter Kunden <strong>im</strong><br />

Spiel, diese hatten kein Interesse daran, dass <strong>Faust</strong> dem Verhör, der Folter<br />

unterworfen wurde.<br />

Es bleibt der Vorwurf der Gotteslästerung. Laut dem Brief <strong>des</strong> Trithemius erwartete<br />

Virdung den Besuch <strong>Faust</strong>s. Wir erfahren weiterhin, dass <strong>Faust</strong>, nachdem er sich so<br />

mancherlei <strong>im</strong> Verlauf <strong>des</strong> Jahres 1506 geleistet hatte, mit Beginn <strong>des</strong> Jahres 1507<br />

eine Stelle als Schulmeister in Kreuznach annahm, wobei Franz von Sickingen ihm<br />

half.<br />

<strong>Faust</strong> badete also nicht mehr in der Menge, foppte nicht mehr die Bildungselite, las<br />

nicht mehr in den Händen, hatte alle eitlen Titel abgelegt und kasteite sich in der<br />

Ärmlichkeit einer Schulmeisterexistenz.<br />

Kein Zweifel, <strong>Faust</strong> hatte sich in Kreuznach verkrochen, ihm schwante etwas, vielleicht<br />

hatte er sogar innere Einkehr gehalten und Besserung gelobt.<br />

So dergleichen der Fall war, dann wissen wir, in Kreuznach gab es Knaben, der<br />

Vorsatz, den Pfad der Tugend künftig nie mehr zu verlassen, er hielt nicht lange vor.<br />

Könnte es sein, dass Johannes Virdung – der ranghohe Nachrichtensammler – das<br />

Schreiben <strong>des</strong> Trithemius mit einem honigsüßem Lächeln <strong>Faust</strong> über den Tisch reichte<br />

und, nachdem <strong>Faust</strong> den Brief gelesen, die Hände vor dem Bauch gefaltet und <strong>Faust</strong><br />

belustigt betrachtet hatte?<br />

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