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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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flüchtete <strong>Faust</strong> dann aus der Herberge vor dem Freund <strong>des</strong> Virdung, anstatt den<br />

freundlichen Abt nun endlich persönlich kennen zu lernen?<br />

Was oder wer verbirgt sich außerdem hinter diesem Briefboten, diesem anonymen<br />

„Bürger“?<br />

Warum formulierte Trithemius nicht kurz und bündig: „Du erinnerst dich an die<br />

Aufzeichnung seiner Torheit, die <strong>Faust</strong> dir überbringen ließ.“<br />

Warum erwähnt er den Briefboten? Ein Brief hat schließlich <strong>im</strong>mer einen Überbringer.<br />

Oder soll das gar bedeuten, dass mehrere Briefe in Sachen <strong>Faust</strong> bereits Virdung<br />

erreichten, dieser sich jedoch jenen einen Brief vergegenwärtige, der ihn nicht über die<br />

übliche „Kurierpost“ erreichte, sondern durch einen reisenden Bürger überbracht<br />

wurde?<br />

Was ist an diesem <strong>Faust</strong>, dass ein Visitator Daten sammelt? Warum packt man diesen<br />

Frechling nicht und prügelt ihn durch? Man ist doch sonst nicht z<strong>im</strong>perlich. Statt<strong>des</strong>sen<br />

lässt man ihm Leine und kontaktiert ihn aus.<br />

Es hat den Anschein, ein merkwürdiges „Uns“ interessiert sich für <strong>Faust</strong>. Dass ein<br />

Hofastrologe mit von der Partie ist, und ein Visitator neben seiner Aufgabe in den<br />

Klöstern der Benediktiner nach dem Rechten zu sehen, auch noch einem „Uns“<br />

Kärrnerdienste leistet, bei<strong>des</strong> ist nichts Ungewöhnliches.<br />

Was ist an diesem <strong>Faust</strong>, dass man ihn ausspäht?<br />

Sowohl aus den neun Quellentexten als auch aus den Indizien erschließt sich keine<br />

Antwort. <strong>Faust</strong> hat nichts getan, was andere nicht auch getan haben, mit einer<br />

Ausnahme: <strong>im</strong> Kampf um die Gunst <strong>des</strong> Publikums war er knalliger und frecher als<br />

seine Mitkonkurrenten.<br />

Eine Antwort liefern die Zustände jener Zeit. Verschwörungen, Unruhen waren an der<br />

Tagesordnung, selbst Prozessionen endeten gelegentlich in Aufruhr. Dazu gab es, man<br />

darf es wohl so nennen, den „Berufsstand der Rebellen“. Ein Fritz Joß organisierte<br />

1502 den Aufstand von Speyer, 1513 den Aufstand von Lehen bei Freiburg, 1517 den<br />

Aufstand <strong>im</strong> Elsass. Woher das Geld kam, mit dem er auch <strong>im</strong>mer wieder Söldner<br />

anwarb, ist ungeklärt. Gutmöglich kam das Geld aus französischer Kasse, der Aufruhr<br />

in Deutschland war in seinem Ausmaß zu einer Art zweitem Schlachtfeld geworden. Zu<br />

dieser Zeit lag Kaiser Max<strong>im</strong>ilian I. mit dem französischen König <strong>im</strong> Krieg, unter<br />

Max<strong>im</strong>ilians Enkel und Nachfolger Karl V. sollten die Kriege weiter gehen.<br />

18% der Menschen in Deutschland lebten in Städten, 50% lebten in den Dörfern. Die<br />

übrigen Menschen lebten mit Kind und Kegel in steten Wechsel zwischen<br />

vorübergehender Sesshaftigkeit und erneuter Wanderschaft: Saisonarbeiter, Pilger,<br />

Wanderarbeiter, Söldner, Bettler. In diesem Gew<strong>im</strong>mel der He<strong>im</strong>atlosen bewegten sich<br />

die Aufrührer wie Fische <strong>im</strong> Wasser.<br />

Rechnete man damit, dass <strong>Faust</strong> zum Kristallisationskern einer Revolte werden könnte<br />

oder gar selbst eine Revolte lostreten wollte? Oder hatte <strong>Faust</strong> nur irgendwann den<br />

Mund zu voll genommen und Sätze von sich gegeben wie: „Wenn hier einer rebelliert,<br />

dann ich! Ich bin der König der Aufrührer!“<br />

Könnte der Trithemius-Brief ein Entwarnungsschreiben sein? „Jener Mensch, über<br />

welchen du mir schreibst, Georg Sabellicus, welcher sich den Fürst der Nekromanten<br />

zu nennen wagte, ist ein Landstreicher, leerer Schwätzer und betrügerischer Strolch<br />

…“<br />

Im Klartext: Was wir bis dato für möglich hielten, trifft nicht zu … er führt nur dreiste<br />

Reden, doch da er damit das Ansehen der Heiligen Kirche schädigt, sollte man ihn<br />

auspeitschen …<br />

Stellt man in Rechnung, dass Trithemius ein Werk über Steganographie verfasste,<br />

dann klärt sich nicht nur der „Fürst der Nekromanten“, es gerät eine weitere Textstelle<br />

ins <strong>Visier</strong>.<br />

Steganographie setzt Absprachen zwischen Briefpartnern voraus, die vorgeben,<br />

harmlosen Briefkontakt zu pflegen. Um nicht gefälschten Briefen aufzusitzen,<br />

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