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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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1560 schreibt Melanchthon in seinem Vorwort zu „Corpus doctrinae christianae“ von<br />

der unberechtigten Polemik der vom Papst Gekauften: Friedrich Staphylus, Georg<br />

Witzel, Petrus Canisius u. a.<br />

Das ist mehr als frontal, das ist Verleumdung, denn beweisen kann er es nicht – wie<br />

denn auch. Grundsätzlich lag er mit seiner Annahme wohl richtig: Rom ging der eitlen<br />

Gelehrsamkeit protestantischer Spaltpilze gerne mit theologischem Sprengstoff zur<br />

Hand.<br />

Verständlich, dass bei all dem Krach und dem nichtendenwollendem Getöse sich bald<br />

die ersten Protestanten blindlings aus den Fenstern in die Tiefe warfen. Wie<br />

aufmerksam von der jesuitischen Feuerwehr, dass sie bereits die Sprungtücher<br />

gespannt hielt.<br />

Wobei die Aufzählung der „vom Papst Gekauften: Friedrich Staphylus, Georg Witzel,<br />

Petrus Canisius u. a.“ ist ein deutliches Beispiel dafür, mit welcher Vorsicht der<br />

Datenbrei in „MBW“ zu geniessen ist. Petrus Canisius war Jesuit, den musste der<br />

Papst gewiss nicht kaufen.<br />

Das Konzil von Trient, es dauerte von 1545-1563, verkündete: „Wer sagt, Jesus<br />

Christus sei den Menschen von Gott als Erlöser gesandt, dem sie vertrauen, nicht aber<br />

zugleich als Gesetzgeber, dem sie gehorchen sollen, der sei verflucht!“<br />

Anspruch und Selbstbewusstsein, das dem Leser be<strong>im</strong> Essay „Utrius utriusque“<br />

gutmöglich recht anachronistisch erschien, schließlich sei die Reformation inzwischen<br />

Fakt gewesen. Fakt war allein, dass der Protestantismus selbst nach vierzig Jahren<br />

noch <strong>im</strong>mer um Form und Inhalt kämpfte.<br />

Melanchthons Eingeständnis, dass er auch Fehler gemacht habe, kommt spät und<br />

geradezu kläglich heißt es <strong>im</strong> Brief vom 5. Juni 1558 an David Chytraeus in Rostock,<br />

dass trotz seines Eifers für Gesetz und politische Ordnung, sich einige Fürsten von ihm<br />

abwandten, Chytraeus möchte bitte zwischen ihm und Herzog Johann von<br />

Mecklenburg vermitteln.<br />

„Eifer für Gesetz und politische Ordnung“, eine alarmierende Formulierung! Es sei die<br />

provokante Frage gestattet: Wollte er in seiner Bedrängnis etwa mit dem einst<br />

gefordertem und auch verordnetem „Gehorsam gegen die Obrigkeit“ nun einen Handel<br />

machen?<br />

Warum sich am Ende selbst Fürsten von Melanchthon abwandten, „MBW“ bietet eine<br />

Reihe von Antworten.<br />

Melanchthon hat sich wohl nie deutlich von seiner lockeren Haltung gegenüber den<br />

Adiaphora distanziert. Nach seinem Tod behielten übrigens andere Wittenberger<br />

Professoren seine Haltung bei, als Philippiner werden sie um 1575 vom sächsischen<br />

Kurfürsten aus Wittenberg vertrieben, Caspar Peucer wird zwölf Jahre in Haft gehalten.<br />

Der Adiaphorismus war den protestantischen Fürsten, wie bereits gesagt, verdächtig.<br />

Heinz Scheible schreibt, dass Melanchthon sich genug freien Geist bewahrte und <strong>im</strong><br />

Gegensatz zu anderen wohl nicht <strong>im</strong>mer „linientreu“ war. Was Heinz Scheible mit<br />

„linientreu“ auch <strong>im</strong>mer sagen will, es könnte ein Hinweis auf Dok. 6231 sein:<br />

Melanchthon spöttelt über Osiander, dass der die Fürsten nur schön in ihrer<br />

Gottähnlichkeit bestärken soll.<br />

Womit Osiander freilich nichts anderes tut, als was Melanchthon mit seiner Forderung<br />

von Gehorsam bereits vor ihm tat. Wobei, nach Melanchthons großzügigen<br />

Vorarbeiten, „Gehorsam gegenüber der Obrigkeit“ freilich nicht mehr genügte, um<br />

fürstliches Wohlwollen zu erlangen.<br />

Doch die Abschriften spöttischer Briefe dieser Art mochten durchaus unter den Fürsten<br />

kursiert haben, denn der Leser erinnert sich eventuell, Melanchthon beschwerte sich in<br />

diesen Jahren vehement, dass Briefe abgefangen würden, er gleichsam niemand mehr<br />

schreiben könne. Und dass er von den Fürsten längst nichts mehr hielt, wurde bereits<br />

<strong>im</strong> Zusammenhang mit Camerarius dargestellt, aber auch, dass er ungeachtet der<br />

Warnung <strong>des</strong> Camerarius seinen brieflichen Ausführungen keine Zügel anlegte,<br />

vielmehr seinem Ärger ungeniert freien Lauf ließ. Einer der Beweggründe, die<br />

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