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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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<strong>Faust</strong> streift sich nicht nur ein geistliches Gewand über, die gehobene Stellung seines<br />

Gegenübers, <strong>des</strong>sen öffentliches Ansehen sind für <strong>Faust</strong> eine Herausforderung.<br />

Mit „helmstet“ und „Komtur“ hält er dagegen – zwei flotte Watschen, lässig mit der<br />

linken Hand geschlagen, damit Hochwürden Prior weiß, wer jetzt hier der Chef ist.<br />

Komtur der Johanniter, das bedeutet, dass er ebenfalls von geistlichem Stand ist, doch<br />

obendrein von Adel; der Orden der Johanniter war elitär, er grenzte sich ab.<br />

Dem behaupteten Adel geht sinnfällig der Fingerzeig auf „helmstet“ voraus; ein<br />

Hinweis auf die Wurzeln seiner adeligen Abkunft. Die Grafen von Helmstadt waren<br />

angesehen, sie saßen auf weit gestreuten Liegenschaften und waren wohlhabend.<br />

Das Geschlecht der Grafen von Helmstadt war auch weit verzweigt; ein ausladender<br />

Stammbaum, ein nicht jedermann einsichtiges Geflecht von Verwandtschaftsbanden,<br />

ein Dickicht, in welches sich <strong>Faust</strong> gut hinein wanzen kann.<br />

Glaubhaft als Adeliger aufzutreten, das mochte ein Kunst sein, die einige<br />

beherrschten. Bei <strong>Faust</strong> kriegt die Sache noch ein Krönchen: Die Grafen von Helmstedt<br />

sind nicht in Sachsen oder in den fernen Vogesen behe<strong>im</strong>atet, der Rebdorfer<br />

Prior ist durchaus mit ihnen vertraut. Auch <strong>im</strong> Umkreis von Rebdorf besitzen die<br />

Herren von Helmstedt weitläufige Besitzungen, einträgliche Pfründe und hohe Posten.<br />

<strong>Faust</strong> motzt sich also nicht mit irgendwelchen abseitigen Titeln auf, er kreuzt die<br />

Klinge <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong> auf gleicher Ebene mit seinem Gegenüber.<br />

Er macht sich zu einem Geistlichen, der Prior müsste ihn, den „Kollegen“, entlarven<br />

können. Der Prior kann es nicht.<br />

Er macht sich zu einem Adeligen aus einer Familie, die dem Prior in etwa bekannt ist.<br />

Und wieder kriegt der Prior keinen Fuß auf den Boden.<br />

„… dann werden Propheten geboren…“ heißt es weiter <strong>im</strong> Text.<br />

Dass <strong>Faust</strong> sich gegenüber einem entschiedenen Vertreter der Kirche als Prophet<br />

bezeichnet – nicht als Wahrsager wohlgemerkt, das wäre nicht situationsgerecht – ist<br />

schlicht die dritte Unverschämtheit: <strong>Faust</strong> erhöht sich zu einer biblischen Gestalt.<br />

Mehr noch: „… dann werden Propheten geboren…“, das ist die pure Überlegenheit,<br />

der Konfessionsstreit und seine Exponenten werden in die Nähe der Bedeutungslosigkeit<br />

irdischen Gezänks verwiesen.<br />

Vermutlich hat Prior Leib sich <strong>Faust</strong>s Frechheiten selbst zu zuschreiben. Er kann zwar<br />

<strong>Faust</strong> nicht als Lügner entlarven, doch als gefestigte Persönlichkeit beeindruckt ihn<br />

das nicht, er weiß wen er vor sich hat und er lässt es seinen Besucher spüren:<br />

„Vnuerschämbter Vnflat“, wie Manlius Melanchthon zitieren wird.<br />

<strong>Faust</strong> in Rebdorf, das ist nicht der Auftritt eines wilden Prahlhans`. <strong>Faust</strong> fand offenkundig<br />

sein größtes Vergnügen daran, den sonst so gelehrten und streitbaren Prior an<br />

die Wand zu fahren. Passgenau und mit Maß, denn in einer Sache ging <strong>Faust</strong> kein<br />

Risiko ein, das Ordenshaus hatte er nach Hallestein verlegt, weit weg an der Grenze<br />

Kärntens gelegen; dort, wo der Prior sich gewiss nicht auskannte.<br />

Wie erklärt es sich, dass der Prior den Besuch schließlich doch notierte?<br />

Vermutlich wird ihm <strong>Faust</strong> eine bescheidene Prognostikation, eine „Prophezeiung“<br />

verabreicht haben, eine kleine aber feine Information, die er irgendwo „gefischt“ hatte,<br />

in einer Sache, die dem Prior wichtig war, die ihn beschäftigte.<br />

Eventuell handelte es sich um eine Information zur weiteren Entwicklung in der<br />

Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten.<br />

Der Prior trägt <strong>Faust</strong> zunächst nicht in sein Buch ein. Für Leute wie <strong>Faust</strong> ist darin kein<br />

Platz. Und doch muss ihm die „verabreichte Prophezeiung“ – wohlgemerkt, eine<br />

Vermutung – sehr beschäftigt haben.<br />

Man meint sie förmlich zu hören, die schnurrenden Rädchen <strong>im</strong> Kopf <strong>des</strong> Priors; nach<br />

offenbar wochenlangem Grübeln greift er endlich <strong>im</strong> Juli zur Feder, um die Begegnung<br />

mit <strong>Faust</strong> vom 5. Juni zu notieren.<br />

Dieses Pokerspiel auf Augenhöhe, es zieht sich durch die Quellentexte. In Würzburg<br />

rühmt sich <strong>Faust</strong> der Wunder Christi. In der Universitätsstadt Erfurt schmückt er sich<br />

mit dem Verweis auf die Universitätsstadt Heidelberg, um dann auch hier wieder<br />

kräftig zu provozieren.<br />

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