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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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die deutschsprachige Ausgabe der „Practica“ von 1527 schrieb; ein astrologisch<br />

best<strong>im</strong>mtes Prophezeiungswerk von Johann Lichtenberger.<br />

Diese Ambivalenz ist jedoch auch für Pico della Mirandola, Prior Kilian Leib und<br />

andere Zweifler belegt.<br />

Die Astrologie beeindruckte die Menschen mächtig. Johannes Virdung veröffentlichte<br />

1532 das Werk „Nova medicinae methodus…“, eine Abhandlung, die den Einfluss der<br />

Gestirne auf die Heilkunde zum Thema hatte. Philipp Melanchthon hielt gegen Luthers<br />

Willen Vorlesungen über Astrologie. Der Arzt Hartmann Schedel sagte, wer die<br />

Astrologie nicht beherrsche, verdiene es nicht, Arzt genannt zu werden; Melanchthon<br />

war der nämlichen Auffassung. Trithemius baute in „De septem secundeis“ aus dem<br />

Sternenglauben eine komplette Geschichtsphilosophie. Paracelsus beachtete be<strong>im</strong><br />

Aderlass den Stand <strong>des</strong> Mon<strong>des</strong>, nichts anderes tat auch das Bocke Madel, wenn sie<br />

Kräuter schnitt. Und auch die Apotheker richteten sich nach dem Stand der Sterne, um<br />

den Theriak zu mischen, das gleiche galt für die Alchemisten, aber auch für die Metallund<br />

Glasgießer.<br />

Die Sterne gehörten allen – die „Influenza“, der Einfluss der Sterne, war total.<br />

Ein Nativität, die Ausdeutung der Stellung der Planeten <strong>im</strong> Moment der Geburt, war<br />

selbst in kirchlichen Kreisen nichts Anrüchiges, es wurde als Lebenshilfe, als<br />

Wegweiser für die Wahl <strong>des</strong> geeigneten Berufs verstanden.<br />

Freilich kann man die Astrologie auch als Kampfmittel einsetzen.<br />

Be<strong>im</strong> einfachen Mann reichte es eventuell zu sagen, Luther sei ein Werkzeug <strong>des</strong><br />

Teufels. Für die Gebildeten brauchte es mehr, ihnen wird ein wissenschaftlicher<br />

Beweis, der astrologische Prägestempel <strong>des</strong> Unheilbringers Luthers gereicht – ein<br />

gefälschtes Horoskop <strong>des</strong> italienischen Astrologen Lucas Gauricus. Da Luthers<br />

Geburtstag nun gar nichts Aufregen<strong>des</strong> hergab, hatte Gauricus das Geburtsdatum um<br />

ein volles Jahr in eine Nativität verschoben, voll der astralen Feindschaften und<br />

Kollisionen. Kein Zweifel, Luther, das war eine üble Person, Luther trug auch die<br />

Schuld am Bauernkrieg. Letzteres war in so weit richtig als Luthers Ideen die Bauern<br />

beflügelt hatten. „Schlagt sie tot, diese lutherischen Hunde!“ war dann auch der Ruf<br />

der französischen Söldner, als sie den Aufstand <strong>im</strong> Elsass niederwarfen.<br />

Jedenfalls eine ordentliche astrologische Arbeit, die Lucas Gauricus vorlegte, jeder<br />

Gebildete konnte sich selbst von der Richtigkeit überzeugen, nur dass eben das<br />

Geburtsdatum falsch war.<br />

Und sinniger Weise war auch Melanchthon einer von jenen, die das gefälschte Lutherhoroskop<br />

an alle Freunde verschickten; die Begeisterung für die Sterne kannte keine<br />

Konfessionsgrenzen.<br />

Ein Verdacht, dass man anhand der Sterne gar kein Horoskop für eine Reise oder<br />

eine Heirat stellen könne, hat die damaligen Astrologen nicht berührt.<br />

Falls ein Kunde sich über ein missratenes Horoskop beklagte, suchte der Astrologe<br />

die Schuld bei sich selbst. Die Astrologie he<strong>im</strong>lich in Zweifel zu ziehen, er wäre sich<br />

lächerlich vorgekommen. Sie öffentlich in Frage zu stellen, war undenkbar, er hätte<br />

sich dem Vorwurf ausgesetzt, er sei wohl nicht recht beschlagen.<br />

Kurz, man überschätzte die Möglichkeiten der Astrologie. Schlicht <strong>des</strong>halb, weil man<br />

die Planeten als Gottes Schöpfung so hoch schätzte. Da Gott sie geschaffen hat, Gott<br />

nichts Unsinniges tut, hätten die Planeten eine Aufgabe; Kräfte auf sie zurück zu<br />

führen, war wissenschaftliche und auch rechte Weltsicht. Denn „da kamen Magier vom<br />

Morgenland nach Jerusalem, welche sprachen: „Wo ist der König der Juden, der<br />

geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern <strong>im</strong> Osten gesehen.“ heißt es <strong>im</strong><br />

Evangelium nach Matthäus.<br />

Der Stern von Bethlehem, in jüngerer Zeit gern als Komet dargestellt, war gewiss kein<br />

Komet; Kometen waren von altersher als Unglücksbringer gefürchtet. Vermutlich<br />

lautete die Auskunft: „Wir haben in den Sternen gelesen.“ Eine Aussage, die so freilich<br />

nicht sein durfte, das junge Christentum hielt rein gar nichts von der Sterndeuterei, ein<br />

Standpunkt, der <strong>im</strong> Mittelalter eine Aufweichung erfuhr.<br />

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