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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Es bereitete keine Mühe, <strong>Faust</strong> als wahrlich sündigen Menschen einzuordnen.<br />

Eine Einschätzung, die sich auch jenen älteren Geistlichen mitteilte, die vordem<br />

innerhalb der katholischen Kirche tätig gewesen waren. Über <strong>Faust</strong> wurde geredet und<br />

phantasiert, da brauchte es einen Standpunkt und rechte christliche Belehrung.<br />

Bereits 1541 gibt der reformierte Pfarrer Johannes Gast bei Niclaus Brylinger in Basel<br />

seine Tischgespräche, die „SERMONES CONVIVALES“ zum Druck. 1543 lässt er den<br />

Teil II, die „TOMUS SECUNDUS CONVIVALIUM SERMONUM“ folgen.<br />

Die Bücher waren gefragt, bekannt sind Nachdrucke der Jahre 1548, 1554 und 1566.<br />

Leserinnen und Leser mögen sich die Quellentexte, allesamt zu <strong>Faust</strong>s Lebzeiten<br />

geschrieben, noch einmal durchlesen, sie finden weder Teufel noch phantastische<br />

Hunde.<br />

Die dann unmittelbare Drehung der Aufzeichnungen ins Phantastische, beginnend mit<br />

Pfarrer Gasts „SERMONES CONVIVALES“, <strong>im</strong> selben Moment da <strong>Faust</strong> das Zeitliche<br />

segnete, ist frappant.<br />

Diese unmittelbare Drehung kann nur bedeuten, das phantastische Bild, das Pfarrer<br />

Gast in seinen Notizen von <strong>Faust</strong> zeichnet, existierte in den Köpfen der Lutheraner<br />

bereits vor <strong>Faust</strong>s Tod. Es ist ein weiterer Fingerzeig darauf, <strong>Faust</strong> hat die<br />

reformierten Landstriche nicht mehr bereist, er hat dem Phantastischen Raum<br />

gegeben, musste ihm auch Raum geben.<br />

Pfarrer Gast schreibt: „Als ich zu Basel mit <strong>Faust</strong> <strong>im</strong> Oberen Collegium speiste, gab er<br />

dem Koch Vögel verschiedener Art“.<br />

Man n<strong>im</strong>mt an, das könnte <strong>im</strong> Jahr 1525 gewesen sein.<br />

An anderer Stelle ist von einem Poltergeist die Rede, <strong>Faust</strong>s Dankeschön an ein<br />

Kloster, weil man ihm den Wein vorenthalten hätte. „Am frühen Morgen ging er weg,<br />

ohne zu grüßen, und sandte in das Kloster einen wüthenden Teufel, der Tag und<br />

Nacht lärmte … (Die Mönche verlassen das Kloster.) Einige behaupten, dass auch<br />

jetzt noch, wenn Mönche in`s Kloster kommen, ein solcher Tumult sich erhebe, dass<br />

die Bewohner keine Ruhe haben. Solches weiß der Teufel zu veranstalten.“<br />

Über <strong>Faust</strong>s Tod steht zu lesen:<br />

„Er hatte einen Hund und ein Pferd bei sich, die, wie ich glaube, Teufel waren, da sie<br />

alles verrichten konnten. Einige sagten mir, der Hund habe zuweilen die Gestalt eines<br />

Dieners angenommen und ihm Speise gebracht. Der Elende endete auf schreckliche<br />

Weise, denn der Teufel erwürgte ihn, seine Leiche lag auf der Bahre <strong>im</strong>mer auf dem<br />

Gesicht, obgleich man sie fünfmal umdrehte.“<br />

<strong>Faust</strong> war also das Genick gebrochen worden, bzw. hatte sich das Genick gebrochen.<br />

Interessanter wäre freilich zu wissen, worüber Gast mit <strong>Faust</strong> <strong>im</strong> Oberen Collegium<br />

geredet hatte, wo <strong>Faust</strong>s Leiche auf der Bahre lag und wann das gewesen war.<br />

Das jedoch wissen zu wollen, entspricht unserer heutigen, quasi verwissenschaftlichten<br />

Neugier. Gast nennt kein Datum, keinen Ort, keine Quelle. Seine Notate gelten somit<br />

lediglich als Indizien; dass er <strong>Faust</strong> persönlich kannte, hilft nichts.<br />

Obendrein sind seine Zeilen für uns mit dem Odium <strong>des</strong> Geschwätzigen behaftet.<br />

Dabei bedeuten Gasts Leerzeilen in Sachen <strong>Faust</strong>s Tod nicht unbedingt, dass Gast es<br />

nicht genauer gewusst hätte. Falls es zutrifft, worauf die Wissenschaft sich auf Grund<br />

der Z<strong>im</strong>mer´schen Chronik geeinigt hat, dass <strong>Faust</strong> am Kaiserstuhl ums Leben kam,<br />

dann wusste Gast in Basel es auch, genauso wie er wusste, wann das in etwa passiert<br />

war.<br />

Staufen und Basel sind über die Rheinschifffahrt gleichsam nur einen Katzensprung<br />

von einander entfernt. Der Rhein war damals die wichtigste Handelsstrasse Mitteleuropas.<br />

Selbst heute, trotz Autobahnen und Lastwagen, stellt ein Wasserweg für<br />

einige Industrien noch <strong>im</strong>mer die einzige Alternative dar. Abhängig vom Transportgut<br />

braucht es hundert Lastwagen, um eine einzige Schiffsladung zu übernehmen. Das gilt<br />

ungleich mehr für die damalige Zeit; mit ihren Pferdefuhrwerken auf schlechten<br />

Straßen. Das wichtigste Transportgut war damals Brotgetreide. Weiträumig <strong>im</strong><br />

Einzugsgebiet von Bug und Weichsel hatte sich seit etwa 1500 ein extensiver Anbau<br />

entwickelt. Die Ernte wurde die Weichsel abwärts geschifft, in Danzig umgeladen, um<br />

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