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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Ich selbst war enttäuscht und ich bin es <strong>im</strong>mer noch. Mit einer figürlichen Darstellung<br />

ist <strong>Faust</strong>s Persönlichkeit nicht beizukommen. Sancta S<strong>im</strong>plicitas! Nicht auszudenken,<br />

was die Knittlinger mit Till anstellen, so besagter Advokat ihn nach Knittlingen<br />

argumentierte, vermutlich ihn diesem <strong>Faust</strong>-Denkmal als Hampelmann an die Seite<br />

stellen. Ich drücke den Kneitlingern beide Daumen.<br />

Knittlinger Honoratioren aber empfehle ich einen Spaziergang durch die Stuttgarter<br />

Königstraße. Sie stoßen dort auf eine Plastik: „Sonny Liston“, von Hrdlicka; Beispiel<br />

einer künstlerischen Umsetzung.<br />

Bis dahin gilt, was man <strong>im</strong> „finnischen Kinutelingen“ über <strong>Faust</strong> so spricht:<br />

„Dem hats daho<strong>im</strong> net gfalla, weil er <strong>im</strong>mer größer sei wollt, als er war!“<br />

„Und gschämt hat er sich au, <strong>des</strong>wega hat er nia verrata, wo er her kummt.“<br />

*<br />

„Typisch deutsch!“<br />

„Ist <strong>Faust</strong> typisch deutsch?“ <strong>Faust</strong> schöpfte die Möglichkeiten der Selbstentfaltung aus,<br />

wie sie sich damals in Deutschland für ihn boten. Nicht in der Mitte einer unteren<br />

Bevölkerungsschicht, er lebte seinen Willen, vielleicht auch sein Getriebensein, quer<br />

durch alle Schichten der Gesellschaft. Ähnlich einer gewaltigen polaren Eismasse, die<br />

in Teile bricht, waren die Gesellschaftsschichten in Bewegung geraten. Was so lange<br />

erstarrt lag, nun war es aufgebrochen. Die Schichten der Gesellschaft rieben sich,<br />

schlugen krachend aneinander.<br />

Die Gegensätze und Spannungsfelder dieser Zeit darzustellen, es füllte Bücher.<br />

Aufruhr und Rebellion sind biblisch nicht vorgegeben, sind Sünde, es sei denn, man<br />

beruft sich bei seinen Forderungen auf die Bibel. Folglich träumen die Bauern von der<br />

Rückkehr zur Abgabe <strong>des</strong> biblischen Zehnten, die verschuldeten Fürsten drehen<br />

dagegen an der Steuerschraube. Die Ritter schwärmen von altem Glanz und einem<br />

wiedererstarktem Kaisertum, sie weigern sich zu bemerken, dass der Kaiser innenpolitisch<br />

längst weitgehend entmachtet ist. Kaiser Karl V. träumt von der Erneuerung<br />

<strong>des</strong> Reichs Karls <strong>des</strong> Großen und ist in seinem Ehrgeiz nur ein Spielball der<br />

Geldhäuser. Während „in seinem Reich die Sonne nicht untergeht“, bringen die<br />

Geldhäuser den Metallhandel in ihre Hand, bilden Kartelle und jagen die Preise hoch;<br />

zwar klagen die Reichsstände wegen Monopol und Wucher, doch dem mächtigen<br />

Kaiser bleibt nur, den Reichsfiskal anzuweisen, „dass er gegen die Beklagten als da<br />

sind: Fugger, Welser, Höchstetter, Grander, Herwarth und Rem, nicht unterhandle,<br />

noch fortfahre, sondern gänzlich still stehe.“<br />

Jacob Fugger, der Reiche, steigert die Gewinne seines Hauses <strong>im</strong> Zeitraum von 1511<br />

bis 1527 um 1000%, gleichzeitig schreibt er: „…ich bin reich, von Gottes Gnaden,<br />

jedermann ohne Schaden!“ Das tägliche Leben von gewiss einem Drittel der Bevölkerung<br />

wird jedoch von Hunger, Kälte, Krätze, Läusen, Seuchen und Räubereien<br />

best<strong>im</strong>mt. Damit lebt man, wen kümmert es? Das Leben ist eine Wanderschaft, auch<br />

Jesus und seine Jünger mussten sich ihr Leben erwandern. Die grellen Unterschiede<br />

werden nicht grundsätzlich als Unrecht gesehen, sondern als biblisch vorgegeben.<br />

Die Motive der aufständischen Bauern sind nicht nur innerhalb der verschiedenen<br />

bäuerlichen Schichten, sondern auch von Landstrich zu Landstrich verschieden.<br />

Die Wut über die Einführung und Umsetzung <strong>des</strong> Römischen Rechts verbindet sie<br />

dagegen. Das Los der Landlosen jedoch zu ändern, dafür sehen sie keinen Anlass.<br />

Was ein Christ allerdings zu leisten hat, er muss sich der Armen erbarmen, er reicht ein<br />

Stück Brot, er lässt den Wanderer in der Scheune nächtigen, und falls er reich ist, stiftet<br />

er zum Heil seiner Seele ein Seelhaus, eine Herberge; das Übernachten ist billig,<br />

gelegentlich auch umsonst, statt<strong>des</strong>sen wird gemeinsam ein Gebet für die Seele <strong>des</strong><br />

Stifters gesprochen.<br />

Abgesehen von den Geldmagnaten, Fürsten und Bischöfen, auch die übrigen Reichen<br />

leben die Habgier, Streit- und Rachsucht. Sie neiden sich ihre Vermögen und sind in<br />

Prozesse und Streitigkeiten verwickelt. In scharfem Kontrast zur Armut der Menge von<br />

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