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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Mit dem Religionsfrieden wurde die Einteilung in katholische und reformierte Gebiete<br />

festgeschrieben, die Zwistigkeiten darüber, einmal unter den Fürsten selbst, sodann<br />

der Fürsten mit dem Kaiser, waren damit beendet. Auf die Bevölkerung, die man bis<br />

dahin brauchte, um einer möglichen zwangsweisen Re-Katholisierung – die dann auch<br />

nach dem Schmalkaldischen Krieg über das „Augsburger Inter<strong>im</strong>“ versucht wurde, zu<br />

widerstehen, musste keine Rücksicht mehr genommen werden.<br />

Den Beitrag der Bevölkerung be<strong>im</strong> Widerstand gegen das Inter<strong>im</strong> belegt der Brief<br />

Melanchthons vom 3. Okt. 1548 an Kilian Goldstein in Halle:<br />

„ … (2) Halle solle das Inter<strong>im</strong> ablehnen. Am Rhein beging ein Priester wegen der<br />

Annahme Selbstmord. Die Herzöge Barn<strong>im</strong> und Philipp von Pommern samt ihren<br />

Untertanen und Markgraf Johann von Brandenburg-Küstrin lehnten es ab. Dasselbe<br />

erwarte er von den niedersächsischen Städten. Der gefangene Landgraf von Hessen<br />

befahl die Annahme, aber die Geistlichen und das Volk weigern sich. …“<br />

„MBW“ lenkt zudem den Blick auf einen anderen Vorwurf der Geschichtsschreibung,<br />

der mit Sicht auf die Ereignisse <strong>im</strong> 20ten Jahrhundert noch schwerer wiegt, er lautet:<br />

Fürstenknechte!<br />

In einem Gutachten vom 1. Aug. 1531 für die Räte <strong>des</strong> Mgf. Georg von Brandenburg-<br />

Ansbach und den Rat der Stadt Nürnberg, angefertigt von Luther, Jonas, Bugenhagen<br />

und Melanchthon, heißt es unter 4.: Auch ungerechter Obrigkeit gebührt Gehorsam.<br />

Ende 1531 schreibt Melanchthon an Bernhard Rothmann in Münster, das Volk soll das<br />

auf sein Gewissen bezügliche lernen, nämlich Glaube, Buße, Obrigkeit, Liebe.<br />

Und in einem Gutachten, ebenfalls von Ende 1531, angefertigt von Justus Jonas und<br />

vermutlich auch von Melanchthon, heißt es: Man darf nichts gegen sein Gewissen<br />

unterstützen, kann aber seine Lehensherren walten lassen.<br />

Einer der Vorwürfe, mit dem sich die Protestanten laufend auseinandersetzen<br />

mussten, lautete, sie seien illoyal, ungehorsam und rebellisch; bester Beweis dafür<br />

war die vielfache Zerrissenheit unter den Protestierenden selbst. Nicht allein wegen<br />

unterschiedlicher Auffassungen über Glaubensinhalte und Riten, sondern auch wegen<br />

Vorstellungen – von der Geschichtsschreibung weiträumig als „schwärmerisch“<br />

bezeichnet, die urchristliche, katharische, gottesstaatliche und auch kommunistische<br />

Lebensformen zu verwirklichen suchten. Luther und Melanchthon waren dagegen<br />

Garanten der überkommenen weltlichen Ordnung.<br />

Im Jahr 1522 veröffentlichte Luther die Schrift: „Eyn trew vormanung Martini Luther tzu<br />

allen Christen. Sich tzu vorhuten fur auffruhr unnd Emporung.“<br />

Und Melanchthon verweist mit seiner Schrift „Wider die Artikel der Bauernschaft“ alle<br />

Forderungen der aufständischen Bauern als ungesetzlich bzw. als unchristlich <strong>des</strong><br />

Fel<strong>des</strong>; <strong>im</strong> Nachsatz schreibt er, dass Fürsten gerechte Herrschaft üben sollten.<br />

Ob „auffruhr unnd Emporung“, Sickingische Fehde oder Krieg, gemäß „MBW“ waren<br />

Luther und Melanchthon allem Waffenlärm, jeder Unruhe feind.<br />

Dass Luther und Melanchthon mit ihrer Forderung nach Gehorsam das Fortbestehen<br />

<strong>des</strong> Protestantismus sichern wollten, erhellt ein Brief von Ende August 1526 an den<br />

Landgraf Philipp von Hessen: Die gegenwärtige Unruhe in Deutschland ist gefährlicher<br />

als je zuvor in der Geschichte der Kirche. Während früher nur Dogmen strittig waren<br />

und die politische Gewalt unangefochten blieb, wird heute alles in Zweifel gezogen<br />

und kirchliche Bräuche ohne Notwendigkeit geändert, es droht die Gefahr einer<br />

bewaffneten Auseinandersetzung. … Kanzelpolemik ist von den Amtleuten zu unterbinden.<br />

Auch das Gesetz ist zu predigen, insbesondere der Gehorsam gegen die<br />

Obrigkeit. … Das Wesen <strong>des</strong> Christentums ist Gottesfurcht, Glaube, Liebe und Gehorsam<br />

gegen die Obrigkeit. Was Waffen für das Evangelium ausrichten, zeigte der<br />

Bauernkrieg.<br />

Um die Reformierung am Leben zu erhalten, erachtet Melanchthon also zwei Grundpositionen<br />

für notwendig. Von den Fürsten verlangt er beharrliche Friedensliebe. Vom<br />

Volk fordert er Gehorsam gegenüber der Obrigkeit. Er fürchtet also zum einen<br />

bewaffnete Konflikte unter den Fürsten, die den Kaiser zum Eingreifen zwingen, bzw.<br />

ihm den Vorwand zum Eingreifen und zur Unterdrückung der Reformbestrebungen<br />

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