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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Es sei hier an ein Rübezahl-Märchen erinnert. Es erzählt, dass ein Mann derart<br />

verzweifelt war, dass er sich keinen anderen Rat mehr wusste, als in den Wald zu<br />

gehen und den schrecklichen Berggeist um Hilfe anzurufen. Als ein jäher Windstoß<br />

Laub aufwirbelte, wusste er, Rübezahl hatte ihm geantwortet. Im Vertrauen auf diesen<br />

Beistand ging er he<strong>im</strong> und bewältigte alle ihn bedrückenden Schwierigkeiten.<br />

Auch dieser Glaube ist ein Stück Realität, in die Johann Georg <strong>Faust</strong> hinein geboren<br />

wurde.<br />

Es war eine Welt, in der alle „Dinge“, in Verbindung mit Ort, Umständen und Zeit mit<br />

einer zusätzlichen Bedeutung aufgerüstet waren; das Schlagen einer Tür bei einem<br />

best<strong>im</strong>mten Satz während eines Gesprächs, oder ein Gedanke und <strong>im</strong> selben Moment<br />

der Schrei eines Käuzchens. Das Leben war versponnen mit tausend gehe<strong>im</strong>nisvollen<br />

Hinweisen und Zeichen, man tat klug, sie wahrzunehmen und zu deuten. Einen<br />

Zauber, einen Fluch, ein phantastisches Märlein, was auch <strong>im</strong>mer, nicht ernst zu<br />

nehmen, nicht für denkbar zu halten, war nichts weniger als tollkühn. Denkbar war<br />

allein, dass der Gegenüber ein Aufschneider war, dass er gar nicht die Kenntnisse<br />

hatte, Gold zu machen, einen Hagel zu zaubern, die Kopfschmerzen zu heilen.<br />

Und mühelos fügten sich Wahrsagung, Traumdeutung, Alchemie, Astrologie an das<br />

dergestalt umfangreich gewordene Feld der Kräuteranwendung.<br />

Der Mensch <strong>des</strong> Mittelalters erfuhr Krankheit nicht als Ausnahme, sondern als<br />

Dauerzustand. Die unhygienischen Zustände führten zu verschiedenen Hauterkrankungen,<br />

die einseitige Kost zog Diarrhöe nach sich, da nur die Häuser der<br />

Wohlhabenden über Kamine verfügten, grassierten Augenerkrankungen, wegen der<br />

fehlenden Kamine wurde nachts nicht geheizt, Erkältungen, Katarrhe und Lungenerkrankungen<br />

waren die Folgen. Die Kleidung war vielfach ungenügend, sie war<br />

fadenscheinig, oft bestand sie aus Lumpen, Schuhwerk war nicht die Regel. Der<br />

Genuss von verunreinigtem Wasser ließ Cholera und Typhus ausbrechen, eingeschleppte<br />

Seuchen rafften binnen weniger Wochen in ganzen Landstrichen die<br />

Hälfte der Bevölkerung dahin. Gelbsucht, Schwindsucht, Verwachsungen, Epilepsie,<br />

Rheumatismus, Gicht galten als gewöhnliche Krankheiten. Die durchschnittliche<br />

Lebenserwartung lag bei etwa vierzig Jahren.<br />

<strong>Faust</strong>s Leben fällt in eine Übergangszeit. Es existieren bereits jene Ärzte mit der<br />

seinerzeit gängigen scholastischen Universitätsausbildung. Mit dem Begriff<br />

„Scholastik“ nehmen Historiker eine Abgrenzung zur heutigen Universitätsausbildung<br />

vor. Die Scholastik war stark von der Metaphysik durchdrungen, der Rahmen, in dem<br />

gedacht und „geforscht“ wurde, war zudem begrenzt von den medizinischphilosophischen<br />

Schriften der Antike sowie der Glaubenslehre.<br />

Begardi, der Stadtarzt von Worms, ist ein Arzt der Scholastik, auch Bucharzt genannt.<br />

Er ist ein teuerer Arzt. Die Stelle hat er auf Grund von Protektion bekommen, sie ist mit<br />

einer Pfründe, einer zusätzlichen festen Einnahmequelle verbunden; das könnte zum<br />

Beispiel die Betreuung <strong>des</strong> städtischen Spitals gewesen sein.<br />

Den „Buchärzten“ stehen als Konkurrenten die Wanderärztinnen und Wanderärzte<br />

gegenüber. Diese haben nicht studiert; „Empiricus“, „Chirurgus“, „Practicus“, werden<br />

sie genannt und nennen sich auch selbst so.<br />

Weniger angesehen waren „Wurtzengraber, Landstreicher, Zahnbrecher, Theriakskrämer<br />

(Theriak, eine Mixtur, als Allheilmittel angeboten), alte Weiber und Hencker“.<br />

Henker waren hoch bezahlt, aber einsame Menschen, sie wurden gemieden.<br />

Andererseits holte man sie nachts, um einem Tier die Gliedmaßen einzurenken, <strong>des</strong><br />

Weiteren galten sie als „heilkundig“, sie stellten aus zerriebenen Leichenteilen<br />

Wundermittel her.<br />

Abgesehen davon, dass Studium und Quacksalberei sich bis auf den heutigen Tag<br />

nicht ausschließen, der damalige Heilungserfolg eines Bucharztes lag durchaus auf<br />

einer Ebene mit dem eines „alten Weibes“ oder eines „Empiricus“.<br />

Es herrscht ein wilder Konkurrenzkampf um die Patienten, <strong>des</strong>gleichen be<strong>im</strong> Verkauf<br />

von „Präparaten“. Und die Syphilis, die den leidenschaftlichen Lutheraner ebenso wie<br />

den Verteidiger der Kirche schlägt, einen Ulrich von Hutten wie den päpstlichen<br />

Legaten Hieronymus Alexander, lässt abenteuerliche Mixturen gedeihen. Doch nicht<br />

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