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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Die Frage nach dem „lieben Hutten“ ist bei Stibar goldrichtig; der <strong>Faust</strong>-Freund Stibar<br />

erwarb 1532 bei Würzburg ein Hofgut und Moritz von Hutten ist dort häufig zu Gast,<br />

ein offenbar recht idyllischer Ort, eine Art Villa Kornblum, mit der auch Camerarius seit<br />

einer Würzburg-Reise <strong>im</strong> Herbst 1533 vertraut ist.<br />

Anschließend ist von „Luna <strong>im</strong> Sternbild der Fische …“ die Rede, ein Sternbild, das<br />

Camerarius sehr traurig machte. Als Ursache der Traurigkeit wird <strong>im</strong> nachfolgenden<br />

Satz <strong>Faust</strong> genannt.<br />

„Luna <strong>im</strong> Sternbild der Fische …“ ist wohl als Datumsangabe zu verstehen. Bedeutet<br />

es etwa, dass <strong>Faust</strong> versprochen hatte, sich bis zu diesem Termin über den Sieg <strong>des</strong><br />

Kaisers zu äußern?<br />

Den Zeilen <strong>des</strong> Camerarius müssen zumin<strong>des</strong>t zwei Briefe, beziehungsweise zwei<br />

Gespräche vorausgegangen sein, einmal eine Anfrage <strong>des</strong> Camerarius, sodann die<br />

Auskunft Stibars, dass <strong>Faust</strong> die ersehnte Information nicht liefert, statt<strong>des</strong>sen seinen<br />

Lieferverzug mit Verweis auf „höhere Kräfte“ begründet. Wie bereits in „Astrologie, die<br />

große Hure“ angesprochen, spielte <strong>Faust</strong> wohl auf Zeit, schlicht <strong>des</strong>halb, weil es ein<br />

Ding der Unmöglichkeit ist, in den Sternen die kommenden Ereignisse auf dem<br />

Schlachtfeld zu lesen.<br />

„Aber was sagt uns jener endlich?“ heißt es weiter.<br />

Zuvorderst spricht aus der Formulierung Ungeduld, wenn nicht sogar Ungehaltensein,<br />

jedoch auch, dass der Schreiber auf einer Auskunft über den Ausgang <strong>des</strong> Krieges<br />

beharrt; was nicht wenig erstaunlich ist, da er sich soeben noch über <strong>Faust</strong>s hohlsten<br />

Aberglauben erregte.<br />

Das Wort „endlich“ verrät darüber hinaus, dass Camerarius bereits seit einiger Zeit auf<br />

Antwort drängt.<br />

Macht man sich bewusst, dass der angesehene Philologe Camerarius ungeduldig wird,<br />

obwohl er selbst Astrologe ist, dann erschließt sich, dass diesen Zeilen deutlich mehr<br />

voraus ging, als lediglich eine einzige Anfrage <strong>des</strong> Camerarius, dass die Frage nach<br />

dem Sieg bereits mehrmals angesprochen wurde, was selbstredend auch den Zeitraum<br />

erweitert, in dem die Frage nach dem Sieg <strong>des</strong> Kaisers zur Klärung ansteht.<br />

Camerius weiß doch schließlich selbst am Besten, dass die Sprache der Sterne<br />

gelegentlich widersprüchlich ist, dass man auf eine direkte Frage nicht unbedingt eine<br />

unmittelbare Antwort erhält, insbesondere wenn es um schwierige Sachverhalte geht.<br />

Er weiß, dass man sich dann über indirekte Fragestellungen behelfen muss, um die<br />

„Neigung der Sterne“ über die „Verrechnung“ verschiedener „Aussagen“ zu erarbeiten,<br />

was die „Findung“ gewiss nicht einfacher macht. Auch darf man annehmen, dass er die<br />

Frage nach dem Sieg <strong>des</strong> Kaisers selbst wiederholt über einer „Sternenkarte“ bebrütet<br />

und offenbar auch keine Antwort findet.<br />

Die Annahme, dass Camerarius mit dem „Tuus <strong>Faust</strong>us“-Brief eine wiederholte Anfrage<br />

auf den Weg brachte, scheint zulässig. Sie findet einmal Unterstützung durch die<br />

Annahme, dass es sich bei „Luna <strong>im</strong> Sternbild der Fische …“ um eine Datumsangabe<br />

handelt, der Zeitpunkt, zu dem <strong>Faust</strong> anfänglich wohl liefern wollte – in einem<br />

nachfolgenden Bescheid nahm er dann Zuflucht <strong>im</strong> „Aberglauben“, sowie durch die<br />

Formulierung „und dich in Spannung gehalten hätte“.<br />

„Aber was sagt uns jener endlich?“ Aus der Formulierung selbst sowie aus dem<br />

Umstand, dass der Astrologe Camerarius – obgleich inzwischen reichlich verärgert,<br />

auf Auskunft beharrt, erschließt sich, dass Camerarius von <strong>Faust</strong>s Künsten nicht nur<br />

überzeugt ist, sondern auch überaus verwöhnt ist; <strong>Faust</strong> muss ihn bislang mit<br />

verlässlichen Prognosen bedient haben.<br />

Es wurde bereits an anderer Stelle gesagt, <strong>Faust</strong> fischte vermutlich gezielt<br />

Informationen, die Astrologie war dabei sein <strong>Visier</strong>; es brauchte niemand wissen, dass<br />

seine Prognosen das Resultat von Kontakten, Recherche und gewiss auch eines<br />

geschulten Verstan<strong>des</strong> waren.<br />

Doch nicht allein die Frage nach dem Sieg <strong>des</strong> Kaisers interessiert Camerarius. „Und<br />

was noch?“ heißt es weiter <strong>im</strong> Text. Diese Frage macht nur Sinn, so man sie<br />

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