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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Fürstbischof von Eichstätt, Gabriel von Eyb, zum Augsburger Reichstag. Mit Cochläus<br />

war er an der Ausarbeitung der „Confutatio“ beteiligt; ein katholisches Positionspapier,<br />

angefertigt als Zurückweisung der „Confessio Augustana“ <strong>des</strong> Philipp Melanchthon.<br />

Später beschrieb Prior Leib seinen Kontrahenten Melanchthon als klein und von<br />

schmächtigem Körper, aber von scharfsinnigem Geist, in dem der Dämon stecke.<br />

Ob er diesen „Dämon“ metaphorisch meinte? Die Notizen <strong>im</strong> Wettertagebuch zeigen<br />

keinen abergläubischen Prior. Und als Empiriker konnte er auch von der Astrologie<br />

und schon gar nicht viel von wandernden Astrologen und ihren Wetterprophezeiungen<br />

halten, wenngleich die entsprechenden Einträge <strong>im</strong> Wettertagebuch letztendlich doch<br />

zwischen Kometenfurcht und völliger Leugnung der Sternenkräfte schwanken.<br />

Prior Kilian Leib war durch seine Schriften und Briefe in den Kreis der Humanisten<br />

eingebunden. Wie <strong>im</strong> Essay „Skandal in Erfurt“ dargestellt, lässt sich an der<br />

Vernetzung der Gebildeten untereinander unschwer ablesen: <strong>Faust</strong> war für sie alle<br />

kein Unbekannter.<br />

Auch für den Prior ist <strong>Faust</strong> kein Unbekannter, zumin<strong>des</strong>t vom Hörensagen kennt er<br />

bereits den Mann, „der bei seiner zeit ein wunderbarlicher nigromanta gewest“; die<br />

schnörkellose Selbstverständlichkeit mit welcher der Prior den Namen <strong>des</strong> Besuchers,<br />

„Georgius <strong>Faust</strong>us helmstet“, notiert, scheint es zu bestätigen. Der Prior setzte den<br />

Namen auf das Papier, als ob es sich um „Luther“ oder „Melanchthon“, also um eine<br />

allgemein bekannte Person handelte.<br />

Auch <strong>Faust</strong> wusste, wen er vor sich hatte, Prior Leib war ein Begriff, er stand mit<br />

seinen Streitschriften und Traktaten in vorderster Front <strong>im</strong> Kampf gegen Luther und<br />

den sich ausbreitendenen „Unglauben“. Genauso wie <strong>Faust</strong> sicher sein durfte, dass<br />

auch der Prior schon von ihm gehört hatte, denn zum Zeitpunkt seines Besuchs in<br />

Rebdorf ist <strong>Faust</strong> bereits an die 30 Jahre lang „vast durch alle landtschafft,<br />

Fürstenthuomb vnnd Königreich gezogen, seinen namen jederman selbst bekannt<br />

gemacht“.<br />

Von daher kann es nur als eine prachtvolle Unverschämtheit bezeichnet werden, dass<br />

er sich als „Georgius <strong>Faust</strong>us helmstet“ und „als Komtur oder als Lehrer eines<br />

kleineren Ordenshauses der Johanniter“ vorstellt.<br />

Es ist gera<strong>des</strong>o, als ob er den Prior offen anlügt und dabei noch grinst.<br />

Dabei ist der Prior doch gewiss kein Mensch, der sich Unsinn erzählen lässt. Was<br />

macht <strong>Faust</strong> so sicher, dass der welterfahrene Prior ihn nicht einen Lügner heißt und<br />

ihn vor die Tür setzt? Hat <strong>Faust</strong> etwa in Drachenblut gebadet?<br />

Ob <strong>Faust</strong> nach Rebdorf kam, um dem Prior ein Horoskop zu verkaufen, daran darf<br />

gezweifelt werden; Kilian Leib war eine öffentliche Person, seine Zweifel an der<br />

Astrologie, seine Schriften, waren bekannt. Die Notiz <strong>des</strong> Priors gibt kein Gespräch<br />

wieder, es ist also nicht ersichtlich, welche Punkte das Gespräch berührte. Höchst<br />

wahrscheinlich war <strong>Faust</strong> nach Rebdorf gekommen, um eine Information zu „fischen“.<br />

Und die wichtigsten Informationen – jene, die in diesen Jahren Gol<strong>des</strong> wert waren –<br />

das sind die Standpunkte, die Strategien und Hoffnungen <strong>im</strong> Konfessionsstreit.<br />

Niemand weiß, wie und wann, und ob überhaupt, die verhärteten Fronten die<br />

Entscheidung in einem offenen Krieg suchen werden.<br />

Was sich in diesen Jahren zusammenbraut, darüber geben neben anderem auch<br />

Melanchthons Briefe Aufschluss. Anfang Juli 1529 notiert Melanchthon: … Otto von<br />

Pack … berichtete von Bündnissen <strong>des</strong> Landgrafen Philipp von Hessen mit den<br />

Franzosen und den Ungarn. Herzog Ulrich plane einen Einfall in sein Territorium (in<br />

dieser Zeit unter habsburger Verwaltung gestellt). Sein Bruder Graf Georg warb<br />

Söldner in Lothringen und Reiter in Niedersachsen. Doch Kurfürst Ludwig von der Pfalz<br />

verweigerte den Reitern den Durchzug. Hinter allem stecke der Landgraf Philipp.<br />

Und am 5.Jan.1530 schreibt Melanchthon an Camerarius: Der Landgraf muss von<br />

seinen wahnsinnigen Rüstungen abgebracht werden.<br />

Mit dem Religionsstreit sind phantastische Summen für die eine wie für die andere<br />

Seite <strong>im</strong> Spiel. Prior Kilian Leib ist ein wichtiger Mann in dieser Auseinandersetzung.<br />

Was nichts daran ändert, dass <strong>Faust</strong> es sich nicht nehmen lässt, dem berühmten Prior<br />

die Grenzen aufzuzeigen.<br />

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