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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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1836 veröffentlicht Herrmann Kurz seine „Gedichte“.<br />

Dem sagenhaften Abenteuer sind gerade mal zwei Zeilen gewidmet:<br />

„Noch gedenk` ich, wie wir stiegen zum Gemach, wo Doktor <strong>Faust</strong><br />

Bis zu seinem blutig an die Wand geschriebenen Tod gehaust.“<br />

Gewiss nicht unerheblich, 1837 wird in Knittlingen der „Zauberschrank“ geborgen.<br />

1838 schreibt Kurz in der 13. Ausgabe der Literaturzeitschrift „Der Spiegel“ zur<br />

<strong>Faust</strong>sage: „Merkwürdig st<strong>im</strong>mt hier eine Sage vom Kloster Maulbronn zu, welche den<br />

Hexendoktor in einer abgelegenen Zelle <strong>des</strong>selben vom Satan holen lässt:<br />

Augenzeugen wollen sie mühselig, da der Eingang halb verschüttet sey, bestiegen<br />

und braunrothe, blutähnliche Spuren an der Wand gesehen haben.“ Kurz gibt hier<br />

seine Kletterpartie wieder, mehr jedoch nicht.<br />

1840 / 41 werden die relevanten Artikel „Das Oberamt Maulbronn“ publiziert.<br />

1858 lässt Kurz seine „Jugenderinnerungen“ verlegen. Jeder, der selbst schreibt, wird<br />

es bestätigen, Ereignisse, die dreißig Jahre zurück liegen, werden zum einen nicht<br />

mehr mit dem Blickwinkel eines 15-Jährigen geschrieben, zum andern werden sie<br />

geradezu zwangsläufig mit den Erfahrungen späterer Jahre aufgerüstet, dazu auch<br />

aktualisiert und interessant gemacht.<br />

In den „Jugenderinnerungen“ findet sich der Inhalt aus „Das Oberamt Maulbronn“<br />

punktgenau wieder; Herrmann Kurz hatte seine Kletterpartie aufgerüstet.<br />

Des Pudels Kern waren also begeistert ins Kraut schießende Schülerfantasien. Albert<br />

Schott, als Repetent 1832/33 vor Ort, nicht zu vergessen, seine „Zauberkollegen“,<br />

ließen sich inspirieren und haben die Sache obendrein kräftig aufgeblasen.<br />

Der anonyme Zeitungsartikel war ein Richtschuss. Die 1841 publizierte „Beschreibung<br />

<strong>des</strong> Oberamtes Maulbronn“ mit einem respektablen Gymnasialprofessor als Autor, war<br />

die amtliche Beglaubigung.<br />

„Ja, aber…“<br />

Jetzt kommt die Bauwut, sprich Goldnot, <strong>des</strong> Abts Entenfuß zur Sprache.<br />

Herzog Ulrich von Württemberg ermordete Hans von Hutten, den Vetter <strong>des</strong> Dichters<br />

und aufrührerischen Ritters Ulrich von Hutten. Die 1516 vom „schwäbischen Bund“<br />

verhängte Strafe von 27000 Gulden, das entsprach 9000 fetten Ochsen oder auch<br />

1500 Söldnern mit dem üblichen Halbjahreskontrakt, bürdete Ulrich u. a. dem Kloster<br />

Maulbronn auf. Das Kloster ging <strong>des</strong>halb nicht am Bettelstab, <strong>im</strong> Kloster wurde<br />

gebaut. Es wurde in der Zeit vor Abt Entenfuß gebaut, es wurde in der Zeit danach<br />

gebaut. In den Auseinandersetzungen zwischen Herzog Ulrich und dem<br />

„Schwäbischen Bund“ kam 1519 Franz von Sickingen mit seinen Mannen in das<br />

Salzachtal, was er dort wollte, ist unbekannt – das Archiv <strong>des</strong> Klosters ist angeblich<br />

vernichtet – Mahal vermutet, dass er auf „Inkassotour“ gewesen sei, bei den „unnützen<br />

Mönchen“ in Maulbronn die Klosterkasse visitiert hätte, denn anschließend sackte er<br />

<strong>im</strong> nahen Neuenburg Stadt und Amt ein.<br />

„Übles Hausen“, ein weiter Begriff, doch ruinöse Bauwut kann nicht gemeint sein.<br />

Trithemius, Abt der Benediktiner, konnte schalten und walten, ein Abt der Zisterzienser<br />

konnte das nicht. Ein Zisterzienserkloster war ein Agrarkonzern, der Konvent bildete<br />

den Vorstand, der Abt führte den Vorsitz.<br />

Einen Abt Entenfuß, der sich in Maulbronn einst ungestört der Baulust ergab, kann es<br />

so nicht gegeben haben, dafür ließen die Ordensregeln keinen Raum. Das sollte, darf<br />

man annehmen, auch Gymnasialprofessor Albert Schott bekannt gewesen sein.<br />

Dass von katholischer Seite, die gewöhnlich die Gründe für den Verlust einer<br />

Abtswürde genau beschreibt, die Umschreibung „übles Hausen“ gewählt wurde, lässt<br />

den Schluss zu, Abt Entenfuß muss sich in der Tat etwas Besonderes geleistet haben;<br />

eventuell sogar etwas ganz Ausgefallenes, vielleicht eine Sache, für die damals<br />

letzlich nur einer, nämlich <strong>Faust</strong> zuständig war.<br />

Anders gesagt: <strong>Faust</strong> in Maulbronn? Gerne! Aber nicht als Blutfleck!<br />

Das, als vorläufiges Friedensangebot für alle rauflustigen Maulbronner.<br />

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