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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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denn was kümmert mich fremde Torheit?“ Ein Satz, mit dem auch Prior Leib seine<br />

Notiz hätte enden lassen können.<br />

Dabei werden Kilian Leib, Conradus Mutianus und allgemein die Dozenten sowie<br />

zumin<strong>des</strong>t einige Studenten der fortgeschrittenen Semester wohl kaum dümmer als<br />

<strong>Faust</strong> gewesen sein, und maulfaul oder zart besaitet waren sie auch nicht. Die Welt<br />

der Universitäten wird nicht mehr von Adeligen geprägt, Söhne von Handwerkern und<br />

Bauern bilden nun das Gros der Dozenten und deren Studenten. Freilich wissen sie zu<br />

disputieren und feine Gedanken zu Papier zu bringen, ihre hinterlassenen Streit- und<br />

Schmähschriften zeigen aber auch, dass sie gut zu polemisieren wissen, dabei höchst<br />

unakademisch unter die Gürtellinie schlagen und auch ohne ärztlichen Befund den<br />

Gegner rasch als „geisteskrank“ abqualifizieren.<br />

Doch mit <strong>Faust</strong> werden sie nicht fertig, ihm die Lust an seinen Auftritten von Mal zu<br />

Mal so richtig zu vergällen, das schaffen sie nicht. Es bleibt ihnen nur, be<strong>im</strong> Rat vorbei<br />

zu schauen, damit dieser den „warsager“ zur Stadt hinaus weist. Freilich ist <strong>Faust</strong><br />

auch wieder als Wahrsager aufgetreten, doch von dem Spott, den er auch in Ingolstadt<br />

wieder getrieben hat, steht verständlicher weise nichts <strong>im</strong> Beschluss.<br />

Indirekt steht freilich doch <strong>im</strong> Protokoll zu lesen, dass <strong>Faust</strong> wieder eine gewaltige<br />

Staubwolke aufzuwirbeln wusste. <strong>Faust</strong> „hat angelobt, solche eruordnung für die<br />

obrigkeiht nit zu anthen noch zu äffern.“<br />

Es darf gelacht werden, ein Wahrsager, einer von denen, die es damals zumin<strong>des</strong>t<br />

noch in katholischen Landstrichen <strong>im</strong> Dutzend gab, musste Urfehde schwören.<br />

Urfehde: „Durch Eid bekräftigte Versicherung, künftig Frieden zu halten; Verzicht auf<br />

Spott, üble Nachrede und jede Rache an der Stadt und ihren Bürgern, die<br />

Zusicherung, das Urteil nicht anzufechten und sich künftig von der Stadt fernzuhalten.“<br />

<strong>Faust</strong>, der auch hier wieder auf Augenhöhe und passend zu einer Universität als<br />

„Doctor Jörg <strong>Faust</strong>us von Haidlberg“ aufgetreten war, war gut beraten, die Urfehde zu<br />

beachten; für den Fall, dass er sich noch mal in Ingolstadt blicken ließ, drohte ihm eine<br />

schwere Haftstrafe.<br />

Die, wie es scheint, recht skandalösen Vorgänge in Ingolstadt könnten allerdings auch<br />

die Verspätung <strong>des</strong> Eintrags <strong>im</strong> Wettertagebuch erklären. <strong>Faust</strong> hatte in Rebdorf keine<br />

bewegenden Aussagen oder Anregungen hinterlassen, <strong>Faust</strong> war nur großmäulig bis<br />

unverschämt gewesen; der Prior hatte es mit einer Leerstelle in seinem Buch<br />

gewürdigt. Doch dann erhielt der Prior Nachricht, dass dieser <strong>Faust</strong> es in der<br />

herzoglichen Residenzstadt zum Rausschmiß mit Prädikat „Urfehde“ geschafft hatte.<br />

Damit hatte sich <strong>Faust</strong> für einen Eintrag <strong>im</strong> Wettertagebuch qualifiziert; verächtlich,<br />

vielleicht auch etwas nachlässig, notiert der Prior einige von <strong>Faust</strong>s Behauptungen.<br />

Diese Erklärung für die Verspätung <strong>des</strong> Eintrags beinhaltet freilich auch, dass die Aussagen<br />

<strong>im</strong> Tagebuch mit den Vorgängen in Ingolstadt in irgendeiner Weise miteinander<br />

korrespondieren, obgleich die Äußerungen <strong>des</strong> „Johanniters Georgius <strong>Faust</strong>us<br />

helmstet aus Hallestein“ <strong>im</strong> Kloster Rebdorf gewiss andere gewesen sein werden, als<br />

jene <strong>des</strong> „Doctor Jörg <strong>Faust</strong>us von Haidlberg“ in der Unversitätsstadt Ingolstadt.<br />

Von <strong>Faust</strong>s Reden ist weder hier noch dort etwas festgehalten.<br />

Höchst bemerkenswert ist jedoch, hier wie dort wird sein voller Name notiert, beide<br />

Male auch seine „Berufsbezeichnung“ und ebenso die Zweifel an <strong>Faust</strong>s Selbstauskünften:<br />

„Er versicherte, dass er …“ setzte Prior Leib aufs Papier („asserebat“ wird<br />

auch mit „er behauptete“ übersetzt), „ainem der sich genant Doctor…“ notierte der<br />

Schreiber in Ingolstadt.<br />

Was darf man daraus schließen? Etwa dass <strong>Faust</strong> ein allgemein bekanntes<br />

Faszinosum war, bei dem man nur noch die unterschiedlichen Visitenkarten für<br />

bemerkenswert hielt? Oder etwa, dass Prior Leib über Kreise der Universität von Ingolstadt<br />

von <strong>Faust</strong>s Ausweisung erfuhr und er sich mit Ihnen grundsätzlich darüber einig<br />

wusste, was von <strong>Faust</strong> zu halten war?<br />

Interessant der feine Spott, der in der Notiz <strong>des</strong> Priors mitschwingt. Der Prior wusste<br />

scheinbar recht genau, wen er da vor sich hatte, genauso wie er wusste und es auch<br />

akzeptierte, dass er gegen diesen „Dr. Allwissend“ machtlos ist.<br />

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