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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Die Voraussetzung für die Gründung <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong> hatte sinniger Weise und wieder<br />

einmal – so darf man durchaus sagen, Melanchthon geschaffen, er hatte auf jenem<br />

Augsburger Reichstag von 1530 die Protestanten vom Vorwurf der Ketzerei erlöst.<br />

Was nichts daran ändert, dass die protestantischen Fürsten mit dem Schmalkaldischen<br />

Bund ein keckfreches Stück auf der politischen Bühne inszenieren. Zum einen<br />

müssten sie dem Kaiser nicht derart unverfroren Paroli bieten – gehe<strong>im</strong>e<br />

Beistandsabkommen erfüllten in etwa den gleichen Zweck, zum anderen sind selbst<br />

ihre eigenen Juristen sich nicht darüber einig, ob das Bündnis nicht bereits eine Form<br />

von Landfriedensbruch darstellte, das den Kaiser zur Reichsexekution bevollmächtigte.<br />

Doch ein Bund gegen den Kaiser, er fand auch den he<strong>im</strong>lichen Beifall der<br />

katholischen Fürsten; alles, was den Kaiser gegenüber seinen Fürsten einschränkte,<br />

war willkommen. Und der Kaiser brauchte Geld, viel Geld. Für die Kriege mit<br />

Frankreich, für die Abwehr der Osmanen, er brauchte die finanzielle Hilfe aller<br />

Reichsstände. Im Jahr darauf, 1532, wird bereits der „Nürnberger Anstand“<br />

ausgehandelt: eine befristete Rechts- und Friedensgarantie für den gegenwärtigen<br />

konfessionellen Besitzstand. Das „Wormser Edikt“, das Luther in die Acht erklärt hatte,<br />

war damit aufgehoben, alle Religionsprozesse be<strong>im</strong> Reichskammergericht wurden<br />

eingestellt, ebenso die Verfolgung der Protestanten.<br />

Mit dem „Nürnberger Anstand“ war der Protestantismus zwar noch <strong>im</strong>mer nicht<br />

sanktioniert – schließlich wartete man weiterhin auf Reformen seitens Rom, doch<br />

weiterhin geduldet. Ausgestanden war damit also nichts, auch hatte der Kaiser nicht<br />

unterschrieben. Der ungute Zustand der Schwebe und Unsicherheit hielt weiter an.<br />

Eine der Fragen, die sich be<strong>im</strong> Lesen in „MBW“ einstellen, lautet: Was war dieser<br />

Philipp Melanchthon für ein Mensch? Melanchthon betet viel, er weint viel und er hat<br />

Angst, viel Angst um das Fortbestehen der Reformation. Vor Angst und Sorgen darüber<br />

kann er über Wochen hinweg nicht schlafen, bis er schließlich selbst seine geliebten<br />

Vorlesungen nicht mehr halten kann. Es ist Luther, der ihm auf die Schulter klopft und<br />

ihn neuen Mut fassen lässt. Luther, Kämpfernatur, robust, praktisch veranlagt, und<br />

Melanchthon, der ängstliche Mensch, der sich allein hinter Büchern vor dem Leben in<br />

Sicherheit weiß. So grundverschieden die beiden auch sind, so dringend brauchen sie<br />

einander. Nach außen demonstrieren sie Wittenberger Einigkeit, Freundschaft<br />

verbindet sie jedoch nicht, sondern allein die Erkenntnis, dass einer ohne den andern<br />

nicht kann. Wo es Luther genügt zu wissen, dass es reicht von Zeit zu Zeit <strong>im</strong> rechten<br />

Moment den rechten Hammerschlag zu tun, eilt Melanchthon bereits weit <strong>im</strong> Geiste<br />

voraus, er will für alle auch nur denkbaren Stöße und Untergriffe Roms gewappnet<br />

sein. Ein Bedürfnis, dem Luther nun gar nichts abgewinnen kann. Und so bleibt<br />

Melanchthon in einer speziellen Glaubensfrage nur der zweifelhafte Weg einen Dritten<br />

zu bitten, bei Luther anzufragen, ihn sodann über Luthers Antwort zu informieren,<br />

jedoch keinesfalls zu verraten, dass er, Melanchthon, hinter der Anfrage stehe.<br />

„MBW“ zeigt in Umrissen wie sich die Beziehung der beiden <strong>im</strong> Lauf der Jahrzehnte<br />

veränderte. Am 4. Nov. 1520 schreibt Melanchthon an Spalatin nicht nur, dass die<br />

Ernte dürftig war, er bittet auch um Schutz für Luther, den er für gottgesandt und für<br />

über Augustinus stehend hält. Am 13. Juli 1521 schreibt Luther auf der Wartburg an<br />

Melanchthon, dass ihm <strong>des</strong>sen Kleinmut genauso missfiele, wie <strong>des</strong>sen Überschätzung<br />

seiner (L.) Person. 10 Jahre später klagt Melanchthon in seinen Briefen an<br />

Camerarius, dass er in der Knechtschaft Luthers lebe, und nach 1540 notiert er<br />

wiederholt, dass Luther nur noch seiner Grobheit und Streitsucht fröne. In diesem Zeitfenster<br />

wird dann dem Leser Kunde, Luther hat nicht nur das Buch „Gegen die Jüden<br />

und ihre Lügen“ verfasst, sondern zwei weitere Schriften: „Vom Schem Amphoras“ und<br />

„Von den letzten Worten Davids“<br />

Die steuerliche Bedrückung bei gleichzeitiger Verschwendung, die Vernachlässigung,<br />

die schlechte Behandlung der protestantischen Kirche seitens seines Fürsten, die<br />

Verarmung der Wittenberger Universität (Dok. 2368), Melanchthon war gemäß „MBW“<br />

über alles <strong>im</strong> Bild. Die Missstände, dazu das Übermaß an Arbeit, das alles macht ihn<br />

nicht nur krank, er lebt ein Leben entlang der Verausgabung. Von daher wundert es<br />

nicht, dass er sich laufend den Tod wünscht oder den Tod kommen sieht. Ab dem<br />

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