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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Verharmlosung <strong>des</strong> Teufels, die Bewunderung für <strong>Faust</strong>, das muntere Treiben behagt<br />

der Lutherischen Kirche überhaupt nicht.<br />

Die Lutherische Kirche ist inzwischen in einigen Fürstentümern etabliert, sie ist Teil der<br />

Fürstlichen Macht und als solche führt sie nun einen Schlag. Sie gibt die „Historia“ in<br />

Auftrag. Ein Autor wird <strong>im</strong> Buch nicht genannt; es wird angenommen, es wirkte eine<br />

Autorengruppe.<br />

Mündliche und schriftliche Aufzeichnungen einzelner <strong>Faust</strong>-Abenteuer werden<br />

gesammelt, sortiert und aussortiert. Auf stattlichen 226 Seiten, unter Einarbeitung von<br />

Teilen der „Schedel´schen Weltchronik“, alttestamentarischen Psalmen, naturwissenschaftlicher<br />

sowie theologischer Schriften werden die unglaublichen Begebenheiten,<br />

dazu <strong>Faust</strong>s Lust am Allwissen, zur Beweiskette hartnäckigen Unglaubens und der<br />

Gottlosigkeit zu einem scharfen Schwert <strong>im</strong> Glaubenskampf geschmiedet.<br />

„… dem Teuffel auff eine benandte zeit verschrieben … biß er endtlich seinen wol<br />

verdienten Lohn empfangen… allen hochtragenden / fürwitzigen und Gottlosen<br />

Menschen zum schrecklichen Beyspiel / abscheuwlichem Exempel / und treuwherziger<br />

Warnung.“<br />

Endlich konnten die Menschen es schwarz auf Weiß lesen, oder es sich vorlesen<br />

lassen, was der Teufel mit den „Fürwitzigen“ anstellte. Die „Historia“ und die<br />

flammenden Scheiterhaufen setzten der Ausgelassenheit ein jähes Ende. Es war auch<br />

ein Wink für die Gebildeten, für die Studenten, sich bei ihren Studien an den<br />

vorgegeben Rahmen zu halten, nicht zuletzt wird mit dem Werk der Gegenreformation<br />

entgegen getreten.<br />

Die Katholische Kirche trägt inzwischen dem Lebensgefühl der Renaissance, der Lust<br />

am Wissen Rechnung, sie fördert die Wissenschaften. Gern sieht sie auch protestantische<br />

Studenten unter den Studierenden und sie gewinnt beachtliche Landstriche für<br />

den Katholischen Glauben zurück.<br />

Die „Historia“ liefert den Beweis, die breite Förderung der Wissenschaften ist ein<br />

neuerlicher Römischer Sündenfall; Wissenschaften verführen den Menschen zu<br />

Hochmut und zur Selbsterhebung.<br />

430 <strong>Faust</strong>bearbeitungen werden in den nachfolgenden 150 Jahren geschrieben, sie<br />

sind geprägt von der „Historia“; das Dämonische, das Menschenfeindliche steht <strong>im</strong><br />

Vordergrund.<br />

Eine Änderung erfolgt erst mit der Aufklärung, als man versuchte, die sagenhaften<br />

Begebenheiten rational zu erklären. Diskussionen, die wiederum dazu führen, dass<br />

Autoren sich unter neuen Gesichtspunkten <strong>des</strong> Themas annehmen. Doch erst Goethe<br />

gelingt es, die literarische Figur <strong>des</strong> <strong>Faust</strong>s aus der überkommenen moralischen<br />

Bewertung zu lösen.<br />

Er formt in seiner Bearbeitung eine <strong>Faust</strong>-Figur, die ihren Weg durch die Welt geht, frei<br />

von Bedenken und Skrupeln, und nicht zur Rechenschaft gezogen wird. In sprachlicher<br />

Brillanz ausgeführt, und 1790 als „<strong>Faust</strong>. Ein Fragment“ veröffentlicht, wird der junge<br />

Goethe „unsterblich“ und <strong>Faust</strong> zu einer so genannten poeto-mythologischen Figur.<br />

Heißt: Ungeachtet der Tatsache, dass <strong>im</strong> späten Mittelalter tatsächlich ein Johann<br />

Georg <strong>Faust</strong> lebte, wird <strong>Faust</strong> <strong>im</strong> Bewusstsein der Öffentlichkeit zu einer Gestalt aus<br />

Goethes Feder.<br />

Die „Historia“ ist damit gleichsam gelöscht, „<strong>Faust</strong>. Ein Fragment“, später „Urfaust“<br />

genannt, best<strong>im</strong>mt fortan die Sichtweise auf das Thema. An die hundert geflügelte<br />

Worte gehen aus dem Urfaust in den allgemeinen Sprachgebrauch über.<br />

Einzig <strong>im</strong> Raum <strong>des</strong> heutigen Baden-Württemberg bleibt der Blick auf den historischen<br />

<strong>Faust</strong> nicht nur erhalten, ein Dutzend Orte streiten sich fortan um die Ehre, dem<br />

Schwarzkünstler posthum Geburtsschein bzw. Sterbeurkunde auszustellen.<br />

Nach 1790 hatte man in Deutschland 150 Jahre hindurch „seinen <strong>Faust</strong>“ parat zu<br />

haben, <strong>Faust</strong> war Bildungsbeweis, <strong>Faust</strong> nährte deutsches Nationalgefühl, mit <strong>Faust</strong> <strong>im</strong><br />

Tornister zog man in den Krieg; Deutschland war derart von <strong>Faust</strong> durchdrungen, der<br />

„S<strong>im</strong>pliziss<strong>im</strong>us“ wusste <strong>im</strong> Jahre 1913 nur noch zwei Sorten von Menschen zu<br />

unterscheiden: jene, die über Politik reden und jene, die über <strong>Faust</strong> reden.<br />

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