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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Abt Entenfuß <strong>im</strong> Jahr 1512 verzichtete der Pfalzgraf endgültig auf seine Rechte an<br />

Maulbronn.<br />

Und bereits 1514 zieht Herzog Ulrich das Recht an sich, die Schultheißenämter zu<br />

besetzen.<br />

Es lässt sich erahnen, Abt Entenfuß fühlte weniger die Würde seines Amtes, als<br />

vielmehr die Bürde; die alten Zeiten, sie waren offenkundig dahin.<br />

Kaiser Barbarossa hatte <strong>im</strong> Jahr 1156 das Kloster noch unter seinen persönlichen<br />

Schutz gestellt; kaiserliche Pflichten, freilich auch Rechte, die irgendein Kaiser später<br />

zu Geld gemacht hatte. Wobei der gegenwärtige Kaiser Max<strong>im</strong>ilian sich um gar nichts<br />

mehr kümmerte, freilich auch nicht mehr viel in dieser Angelegenheit mitzureden hat.<br />

1516 erdreistet sich Herzog Ulrich zweier schwerer Eingriffe. Wie bereits erwähnt,<br />

ermordete Herzog Ulrich jenen Hans von Hutten, den Vetter <strong>des</strong> Dichters und<br />

aufrührerischen Ritters Ulrich von Hutten. Die 1516 vom „schwäbischen Bund“<br />

verhängte Strafe von 27 000 Gulden, bürdet Ulrich u. a. dem Kloster Maulbronn auf.<br />

Desweiteren befiehlt Ulrich <strong>im</strong> Jahr 1516 die erste allgemeine württembergische<br />

Musterung; die Feststellung von wehrhaften Männern in den Landschaften, die<br />

Prüfung der Waffen auf Tauglichkeit. In den Klosterdörfern war die Musterung bisher<br />

von Prälaten durchgeführt worden, Herzog Ulrich bezog die Klosterdörfer in seine<br />

Musterung mit ein. Und passend zu Herzog Ulrichs Übergriffen ist die Luft schwanger<br />

von papstfeindlichen Reden, insbesondere aber von den „Fressern, den München,<br />

gänzlich ohne Nutz“, von den Klöstern, die man nicht brauche.<br />

Der Abt weiß was in der Welt – in den Jahren vor Luther – geredet wird. Und was er<br />

nicht weiß, er kann es sich zusammenre<strong>im</strong>en; <strong>im</strong> Januar 1516 war er auf dem<br />

Reichstag in Augsburg gewesen, anschließend auf dem Landtag in Blaubeuren.<br />

Abt Entenfuß schaute bangvoll in die Zukunft, seine Nerven lagen blank und seine<br />

Gedanken offen – für <strong>Faust</strong>. Hatte der Abt eine Chance gegen <strong>Faust</strong>? Er hatte keine<br />

Chance, er hatte Sorgen. Er brauchte kein Gold, keinen Goldmacher, er brauchte<br />

einen, der ihm sagte, wie es weiterging, was aus dieser Welt und aus dem Kloster<br />

noch werden sollte.<br />

Falls es ein Zusammentreffen <strong>Faust</strong>s mit Abt Entenfuß tatsächlich gegeben haben<br />

sollte, die Falle, der Mahlstrom zwischen Skylla und Charybdis, es könnten einerseits<br />

die Sorgen <strong>des</strong> stolzen Abts, anderseits die Weltgewandtheit <strong>Faust</strong>s gewesen sein,<br />

wobei <strong>Faust</strong> seinen unhe<strong>im</strong>lichen Joker <strong>im</strong> Ärmel hatte.<br />

Alles, was der Abt dachte, <strong>Faust</strong> wusste es, und er wusste noch viel mehr.<br />

Verständlich, dass der Abt nach ersten Gesprächen über die politische Situation zu<br />

dem Schluß kam, dass dieser <strong>Faust</strong> nicht zu Unrecht seinen üblen Ruf weg hatte,<br />

<strong>Faust</strong> tatsächlich ein erstaunliches Wissen besaß, das recht gut zu irgendeinem<br />

Teufelsgeschäft passte. Abt Entenfuß war bereit, die Gratwanderung zu gehen.<br />

Selbstredend war <strong>Faust</strong> als Knittlinger und als Mann von Welt bekannt, dass Abt<br />

Entenfuß nicht in die Kasse greifen konnte, doch falls Entenfuß einsichtig genug war,<br />

dass man mit Hilfe eines goldenen Kelchs, vielleicht gar einer Monstranz, die Geister<br />

dazu bringen konnte, dass sie über die Zukunft <strong>des</strong> Klosters Auskunft gaben …<br />

Den Patres <strong>im</strong> Konvent wird der Umgang ihres Abtes mit diesem Schwarzmagier,<br />

Teufelsbündner, Knittlinger Findelkind und eventuell auch ungebärdigen Zögling von<br />

Einst, gewiss nicht gefallen haben. Andererseits, was wollte man machen.<br />

Was <strong>im</strong>mer <strong>Faust</strong> mit jenem sorgenvollen Abt Johannes Entenfuß angestellt haben<br />

mag – so er überhaupt etwas mit ihm angestellt hat – als sich eines Tages heraus<br />

stellte, dass der neunte Kelch fehlte, die Mönche kombinierten sofort, wo der Kelch<br />

abgeblieben war.<br />

Unter der Annahme, dass <strong>Faust</strong> ein Telepath war, braucht das Aufsehen, das er<br />

beispielsweise in Erfurt hervorrief, keine hilfsweise Schilderung einer alchemistischen<br />

Gaukelei.<br />

Ein Ausschreier zieht über den Markt, er verkündet, dass der weitbeschreite Wahrsager<br />

Doktor <strong>Faust</strong>us in der Stadt ist, dass der weitberühmte Doktor nach dem<br />

Angelusläuten seine Kunst <strong>im</strong> „Mohren“ zeigen werde.<br />

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