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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Dass <strong>Faust</strong> aber Winter um Winter nur einige Arzneien herstellte, <strong>im</strong> übrigen sich aber<br />

Winter um Winter und das jeweils vier Monate hindurch von Bratäpfeln und vom Blick<br />

auf treibende Schneeflocken beglücken ließ, ist schwer vorstellbar.<br />

Drei Wochen Knittlingen, aber keinen Tag länger. Insbesondere wo wieder Uranus und<br />

Pluto in Konjunktion … und außerdem die zunehmende Mondphase … er muss zu<br />

seinem Alchemisten-Freund nach … Heidelberg. Er will dabei sein wenn unter der<br />

anstehenden Konjunktion sich Zinn und Ant<strong>im</strong>on und Blei in der Matrix vereinen.<br />

Sollten sich die drei Kilo getrockneter Kräuter doch selbst <strong>im</strong> Mörser zerstoßen, das<br />

Dutzend Tinkturen und Lösungen sich selbst herstellen! Essig, Wein und Alkohol<br />

erledigten das doch von allein. Sollte sich halt das Bocke Madel drum kümmern.<br />

„In <strong>Faust</strong>s Diensten“ heißt, das Bocke Madel half <strong>Faust</strong> nicht allein <strong>im</strong> Winter bei der<br />

Herstellung der Mixturen, sondern sie war nahezu das gesamte Jahr für ihn tätig. Mit<br />

Fortschreiten der Vegetationsperiode mussten die jeweiligen Pflanzen „geerntet“<br />

werden. Unter Beachtung <strong>des</strong> Mon<strong>des</strong> oder dem Stand der Sonne galt es Blüten zu<br />

zupfen, Wurzeln auszugraben, bei anderen Pflanzen wurden die Blätter oder gar nur<br />

die Früchte gesammelt. Das Erntegut musste getrocknet und bis zur Verarbeitung<br />

sachgemäß gelagert, also vor Luftfeuchtigkeit, Sch<strong>im</strong>mel oder gar Insektenfraß<br />

geschützt werden.<br />

Ob das Bocke Madel lesen konnte? Das darf bezweifelt werden. Generationen später<br />

mag dann ein Buch in die Familie geraten sein, mit Rezepten, „wie sie damals von<br />

<strong>Faust</strong> und unserer Ahnin verwendet wurden.“ Derartige Büchlein mit Notizen zur<br />

Behandlung von Krankheiten wurden hundert Jahre nach <strong>Faust</strong> bis in die ersten Jahrzehnte<br />

<strong>des</strong> 20. Jhdts. in bald jeder Familie geführt. Im Lauf der Zeit hat sich das „wie“<br />

vermutlich zum „das sind die Rezepte <strong>des</strong> <strong>Faust</strong>s“ fortgeadelt.<br />

Dass die Knittlinger das Bocke Madel gelegentlich schnitten, man darf es gelassen<br />

betrachten. Sicherlich hat ihr Außenseiterstatus durch ihren Umgang mit <strong>Faust</strong> eine<br />

eigene Ausprägung erfahren, eine „Kräuterärztin“ hatte jedoch grundsätzlich einen<br />

besonderen Status. Zu ihrem „Handwerkszeug“ gehörten nicht nur Arzneien, sondern<br />

auch Heilsegen, magische Sprüche und Rituale, um die Heilmittel zu aktivieren.<br />

Und sie verbreitete zwangsläufig, ob sie es nun wollte oder nicht, Furcht; sie war jener<br />

Beschwörungen und Zauber mächtig, um Geistern zu befehlen.<br />

Sie war eine Respektperson, der man sich <strong>im</strong> Krankheitsfall wiederum gerne anvertraute.<br />

Für den Fall, dass sie das richtige Mittel anwandte, möchte man fast von einer<br />

opt<strong>im</strong>alen Wirkstoffkombination sprechen. Zum einen wirkte das Mittel, sodann<br />

aktivierte der Glaube an die Wirkung der begleitenden Sprüche die dem Patienten<br />

innewohnenden selbstheilenden Kräfte.<br />

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, von pflanzlichen Wirkstoffen nach<br />

heutigem Verständnis war damals nichts bekannt. Über die Verwendung diverser<br />

Pflanzen in Verbindung mit spezifischen Spruchformeln glaubte man die<br />

verschiedenen Geister zu aktivieren. Krankheit war das Werk überirdischer Mächte,<br />

sie war eine Strafe Gottes, war angehext, von Geistern bewirkt oder der „Influenza“,<br />

dem Einfluss der Sterne, zu zuschreiben. Je nach vermuteter Ursache kamen <strong>des</strong>halb<br />

gleichberechtigt neben Pflanzen auch Gebete, Reliquien, Amulette und Talismane<br />

zum Einsatz.<br />

Ein kranker Mensch durfte sich be<strong>im</strong> Bocke Madel aufgehoben fühlen. Wenn er<br />

beobachtete, wie die Heilerin mit kundiger Hand „schädliche Gegenstände“ aus dem<br />

Z<strong>im</strong>mer räumte, in die Ecken <strong>des</strong> Z<strong>im</strong>mers Weihwasser spritzte, unter gemurmelten<br />

Sprüchen einen magischen Kreis um sein Krankenlager abschritt, unter auf- und<br />

abschwellendem Summen mit den Fingerspitzen über seine Unterarme strich, um<br />

dann endlich die Hand auf seine Stirn zu legen …<br />

Bewegungen, Schritte, die sie bewusst und in sich selbst versunken ausführte, das<br />

Fluidum <strong>des</strong> Raumes, die Persönlichkeiten der anwesenden Geister zu erfühlen, aber<br />

auch sich ihrer selbst in diesem Raum zu vergewissern. Um alle Gedanken und<br />

Gefühle, die jetzt hier nicht hergehörten, abzustreifen, um allein den Kranken und die<br />

Geister, die ihn bedrückten, wahrzunehmen.<br />

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