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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Erzähler munterer Schwänke machte. Woran sich damals übrigens auch der<br />

hochgelehrte Joach<strong>im</strong> Camerarius störte.“<br />

(Schwank, mhd.: swanc, lustiger „Einfall“, volksnahe Erzählweise oft trivialen Inhalts in<br />

gradlinigem Erzählstil. Begebenheiten in Zusammenhang mit bekannten Personen oder<br />

auch Personen verschiedener Schichten: Herr und Knecht, Bettler und Fürst.)<br />

Und Alexander Bartmuß: „Wie Vergleiche mit den Mitschriften anderer Schüler zeigen,<br />

hat Manlius die Exempel Melanchthons korrekt wiedergegeben. Er hat den Exempeln<br />

bei der Übersetzung vom Lateinischen ins Deutsche auch keinen literarischen Anschliff<br />

zum Schwankhaftem gegeben, … er verfälschte weder den Stil, noch griff er in die<br />

Textgestalt ein. Manlius hat eines gemacht, er hat zum Teil Namen weggelassen.“<br />

(Lesenwert dazu auch der Aufsatz „Melanchthon erzählt. Ein Beitrag zu den Dicta und<br />

Exempla Melanchthons“ von Alexander Bartmuß in „Luther“, Zeitschrift der Luther-<br />

Gesellschaft, Heft 1 / 2008)<br />

Leider ist Manlius der einzige geblieben, der uns Melanchthons <strong>Faust</strong>-Exempel<br />

überlieferte. Anders als bei den Exempeln der Studienfächer existiert also keine<br />

Gegenprobe. Handelt es sich bei jenem „<strong>Faust</strong>-Kapitel“ zumin<strong>des</strong>tens in Teilen also<br />

doch um die ganz persönliche Qualmerei <strong>des</strong> Manlius?<br />

Dass er offenbar der einzige unter den Zuhörern war, der auch Melanchthons <strong>Faust</strong>-<br />

Exempel notierte, wusste Manlius <strong>im</strong> Moment der Niederschrift nicht. Später, als seine<br />

Kollegen ihre Mitschriften zum Druck gaben, konnte er davon ausgehen, dass andere<br />

ebenfalls einige <strong>Faust</strong>-Exempel mitgeschrieben hatten und sie nun demnächst<br />

gleichfalls drucken ließen. Die Situation, dass man Vergleiche anstellen würde, war<br />

evident, er musste sich folglich an seine Notizen halten. Auch <strong>des</strong>halb, weil er just <strong>im</strong><br />

Moment der Druckvorbereitung wegen jener vorausgegangenen vierteiligen Exempelsammlung<br />

von Caspar Peucer böse gescholten wurde, es also unmittelbar erlebte, wie<br />

überaus argwöhnisch man seinen Ehrgeiz belurte.<br />

Dementsprechend ist uns keine Kritik, weder durch Peucer, noch durch Camerarius,<br />

am Manliustext überliefert. Vielmehr findet sich Melanchthons Vorstellungswelt, wie sie<br />

sich <strong>im</strong> Bezug auf das „Teuflische“ durch jene <strong>Faust</strong>-Exempel präsentiert, quer durch<br />

„MBW“ <strong>im</strong>mer wieder bestätigt. Die Inhalte <strong>des</strong> Manliustextes gehen nur konform mit<br />

den verrückten Vorstellungen jener Zeit. Manlius musste nichts erfinden und hat auch<br />

nichts erfunden, seine editorische Erfolgsformel lautete: Melanchthon!<br />

Manlius verzichtete darauf seine Zeitgenossen mit eigenständigem zu behelligen, hatte<br />

dergleichen eventuell auch nicht zu bieten, sondern beschränkte sich konsequent auf<br />

die Verarbeitung Melanchthons; eine kluge Einschätzung seiner selbst sowie <strong>des</strong><br />

Marktes, für die er bis heute „Parasit“ gescholten wird.<br />

Die Melanchthon-Forschung hat <strong>im</strong> Lauf der Zeit nicht wenige jener Melanchthon-<br />

Briefe, die nur noch als Abschriften vorlagen, als Fälschungen entlarvt; auf Grund<br />

falscher Ortsangaben, inhaltlicher Widersprüche und nicht zuletzt an Hand sprachlicher<br />

Eigenheiten.<br />

Die <strong>Faust</strong>-Exempel <strong>des</strong> Manlius werden jedoch nicht angefochten. Die Melanchthon-<br />

Forschung hat <strong>im</strong> Manlius-Text also die sprachlichen Eigenheiten Melanchthons, wie<br />

sie sich auch in <strong>des</strong>sen Briefen finden, bestätigt gefunden.<br />

Man könnte geneigt sein, dem Manliustext als Sammlung einzelner Aussagen den Wert<br />

eines Quellentextes zu attestieren. Dass die „Ursprungszeugnisse“, wo und wann<br />

selbst gesehen und gehört, oder wer es Melanchthon erzählt hatte, allesamt fehlen ist<br />

unerheblich, Melanchthon ist Zeitzeuge und Manlius hat Melanchthon wahrheitsgetreu<br />

zitiert. Was allerdings nichts daran ändert, der Schreiber Manlius ist kein Zeitzeuge, er<br />

ist und bleibt ein Zeuge aus der zweiten Reihe.<br />

Es sei an dieser Stelle nochmal dem Missmut darüber Raum gegeben, dass<br />

Melanchthon – wenngleich nachvollziehbar, sich ganz in die Schale einer öffentlichen<br />

Person zurückzog, dass er seiner Aussage „Ich hab einen gekennet / mit nammen<br />

<strong>Faust</strong>us“, keine Schilderung folgen ließ, was sich zutrug, als er das eine oder andere<br />

Mal mit <strong>Faust</strong> zusammen getroffen war, beziehungsweise darüber, was ihm <strong>im</strong><br />

einzelnen von seinem Bruder Georg in Bretten, von Heinrich Urban, Daniel Stibar,<br />

Johannes Virdung oder gar von Joach<strong>im</strong> Camerarius über <strong>Faust</strong> berichtet worden war.<br />

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