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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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diesen Fächern seine Prüfungen bestanden hatte, konnte er, in diesem Fall also <strong>Faust</strong>,<br />

endlich mit dem ersehnten Studium der Astrologie beginnen.<br />

Auch wenn <strong>Faust</strong> sich später in der Todsünde der Astrologie übte, er „gefischte<br />

Informationen“ in seine astrologischen Ausdeutungen einfließen ließ, be<strong>im</strong> Verfassen<br />

der Horoskope hatte er sich an die Fachterminologie zu halten. Ebenso wenn er mit<br />

seinen Kunden die Bedeutung von Planetenkonfigurationen erörterte; quer durch die<br />

Oberschicht hatte er mit Menschen zu tun, die zumin<strong>des</strong>t über Grundkenntnisse der<br />

Astrologie verfügten. Auch werden einzelne Kunden die ausgearbeitete Prognostikation<br />

gelegentlich mit einem anderen Astrologen erörtert haben.<br />

Wenngleich von der heutigen Situation eines Astrologen sich nur schwer die Situation<br />

<strong>im</strong> späten Mittelalter erschließen lässt, der Astrologe von heute spricht von einer<br />

Ausbildungszeit von min<strong>des</strong>tens drei Jahren.<br />

Abgesehen von der Frage, wie oder wer finananzierte das Studium, man halte dabei <strong>im</strong><br />

Auge, <strong>Faust</strong> hat nachweislich keine Universität besucht.<br />

Kontakt zur Oberschicht der damaligen Feudalgesellschaft, zu Heerführern, zu hohen<br />

Beamten, zur gehobenen Geistlichkeit, bedeutete außerdem den Umgang mit<br />

Menschen, die in höchstem Maße den Dünkel pflegten.<br />

Gebildete dieser Zeit konnten die Bibel passagenweise auswendig, sie hatten Plinius,<br />

Tacitus, Platon, Aristoteles … kurz, die philosophischen Schriften gelesen, diskutiert<br />

und deren Inhalte auch parat. Vieles davon braucht zum Verstehen eine Anleitung und<br />

zur Festigung den Disput. Der Disput unterlag Regeln. Menschen, die sich eine derart<br />

breit gefächerte Bildung angeeignet hatten, waren nicht nur an ihren Manieren, sondern<br />

auch an ihrer geschliffenen Sprache erkennbar. Eine Sprache, die freilich auch dazu<br />

diente, sich vom Volk abzugrenzen, sich in Anspielungen auf Textstellen zu üben, die<br />

es dem „gemeinen Mann“ unmöglich machten, den tieferen Sinn <strong>des</strong>sen zu verstehen,<br />

was da soeben geredet worden war. Dazu wollen Gebildete untereinander glänzen, je<br />

geistreicher und verschlungener man sich auszudrücken weiß, <strong>des</strong>to besser; je<br />

treffender mit Zitaten gewürzt, <strong>des</strong>to schöner. Selbstredend <strong>im</strong> Wechselsprung, vom<br />

Lateinischen ins Deutsche und wieder zurück.<br />

Und <strong>Faust</strong> verkehrte mit ihnen auf Augenhöhe. Er muss den Stallgeruch der Oberschicht<br />

besessen, er muss einen irgendwie gearteten universitären Schliff gehabt<br />

haben.<br />

*<br />

Ein Klosterschüler?<br />

Da <strong>Faust</strong> offenbar nie eine Universität besuchte, ist es grundsätzlich denkbar, dass ihn<br />

ein Ziehvater, ein Privatgelehrter oder Dozent, ausbildete. Bildungsbeziehungen dieser<br />

Art waren nichts ungewöhnliches, Joach<strong>im</strong> Camerarius wurde als Dreizehnjähriger dem<br />

Humanisten Georg Helt in Leipzig anvertraut; Helt war sein Lehrer, dazu sein Betreuer.<br />

Von einer derartigen Lehrbetreuung <strong>Faust</strong>s ist allerdings nichts bekannt. Die Gelehrtenschar<br />

jener Zeit ist überschaubar; es handelte sich um etwa zweihundertfünfzig<br />

Häupter. Viele von ihnen kannten sich persönlich, mit anderen pflegten sie regen Briefverkehr,<br />

ein Hinweis, dass <strong>Faust</strong> von einem dieser Männer über drei oder vier Jahre<br />

hinweg unterrichtet wurde, existiert nicht, noch lässt es sich erschließen.<br />

Das große Rätsel, wo <strong>Faust</strong> ausgebildet wurde, scheint sich jedoch buchstäblich in<br />

Wohlgefallen aufzulösen, sobald man das nahe gelegene Kloster Maulbronn in die<br />

Überlegungen mit einbezieht.<br />

Einige <strong>Faust</strong>forscher schließen eine Verbindung zwischen <strong>Faust</strong> und dem Kloster kategorisch<br />

aus, nicht zu Unrecht, außer jenem merkwürdigen Äbteverzeichnis aus dem<br />

17. Jahrhundert, gibt es keinen Hinweis auf eine Verbindung.<br />

Der gediegenen Spekulation diametral entgegengesetzt anzunehmen, <strong>Faust</strong> wäre in<br />

keiner Weise mit dem Kloster in Berührung gekommen, bedeutet die Faktentreue zu<br />

übertreiben.<br />

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