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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Textbausteine für Knittlingen<br />

Zwei gegenständliche Indizien sind noch zu betrachten, doch wie bereits an den<br />

Überlegungen zur „Abschrift“ und zum „Zettel“ erkennbar, die gegenständlichen<br />

Indizien, die einen <strong>Faust</strong> in Knittlingen nahe legen, in ihrer Bündelung gleichsam ein<br />

Beweis dafür sein wollen, sie halten einer näheren Betrachtung nicht stand.<br />

Einsam und verloren steht „Kundling“ als Beweis dafür, dass <strong>Faust</strong> ein Knittlinger war;<br />

ein Beinahe-Beweis, ein Indiz, denn Manlius ist ein Zeuge aus der zweiten Reihe.<br />

Allerdings mit hoher Glaubwürdigkeit, Manlius gab Melanchthon getreu wieder, und<br />

Augustin Lerche<strong>im</strong>er, ein anderer wichtiger Zeuge aus der zweiten Reihe, der nicht<br />

wesentlich über das hinausgeht, was bereits Manlius notierte, wird umstandslos von<br />

„Knütlingen“ schreiben.<br />

Wie nachfolgend noch deutlich werden wird, reichte den Menschen jener Zeit eine<br />

ungefähre Wiedergabe <strong>des</strong> Ortsnamen bereits völlig aus; wichtiger war der Sachverhalt<br />

oder eine best<strong>im</strong>mte Person, ein „Ungefähr und Ähnlich“ bezüglich <strong>des</strong> Ortes genügte.<br />

Und auch Heinz Scheible, der Verantwortliche für „MBW“, hat keinerlei Zweifel, dass es<br />

sich bei „Kundling“ um Knittlingen handelt. Er war bei jenem Telefonat vielmehr höchst<br />

erstaunt, dass darüber noch Zweifel bestehen. Eine Auffassung, die zwar auch nicht<br />

zum gewünschtem Beweis gerinnt, doch unbedingt bemerkenswert ist; Heinz Scheible<br />

hat sich ein Leben lang mit dem Schriftverkehr Melanchthons beschäftigt. Und was das<br />

heißt wird fassbar, wenn man weiß, dass jene Dokumente höchst unzulänglich datiert<br />

waren. Briefe, die als Datumsangabe ein „Nach Martini“ oder einen „1. jul.“ tragen,<br />

lassen sich allein über ihre inhaltlichen Aussagen chronologisch ordnen. Das bedeutet,<br />

Heinz Scheible musste sich jeweils bis ins letzte scheinbar unbedeutende Detail hinein,<br />

neben der Vita Melanchthons auch mit der Entwicklung <strong>des</strong> geschichtlichen Umfelds,<br />

einschließlich der wechselnden Rivalitäten unter den Fürsten auseinandersetzen, mit<br />

der Reformation und dem Fortgang ihrer verschiedenen Strömungen, dazu mit<br />

Gesetzen und Erlassen und gewiss nicht zuletzt auch mit den Sitten und Gebräuchen<br />

jener Jahrzehnte. Dass der Umgang mit den verschiedenen Schreibweisen eines Ortes<br />

dabei die geringste Schwierigkeit war, darf man gelassen annehmen.<br />

Und dennoch, die <strong>Faust</strong>forschung hat „Kundling“ ein Fragezeichen aufgeklebt, und<br />

auch die Leserinnen und Leser wollen kein borstiges „Kundling“, sondern ein<br />

Knittlingen, zumin<strong>des</strong>t aber ein klangliches Adaequat.<br />

Doch haben die verstreuten Textstellen, die auf Manlius folgen und unmittelbar von<br />

Knittlingen sprechen, soviel an Substanz, dass sie sich zum „Beweis“ verdichten?<br />

Denn mit geradezu entwaffnender Selbstverständlichkeit stellen die Autoren sich selbst<br />

das Bein; sie überlassen es der Nachwelt zu ergründen, wo das jeweilige Wissen<br />

geschöpft wurde. Ihre Texte sind miteinander verzahnt, es wurde abgeschrieben, man<br />

übte sich in Missverständnissen.<br />

1568 zitiert Johannes Weier in „De praestigiis daemonum“ (Über die Vorherrschaft der<br />

Dämonen) den Anfang <strong>des</strong> Manlius-Textes: „Johannes <strong>Faust</strong>us ex Kundling oppidulo<br />

oriundus“.<br />

„Joh. <strong>Faust</strong> von Knütlingen“ heißt es kurz bei Augustin Lerche<strong>im</strong>er <strong>im</strong> Jahr 1585 in der<br />

ersten Ausgabe seines „Christlich bedencken vnd erinnerung von Zauberey“. Erstmalig,<br />

dazu mit geradezu verblüffender Selbstverständlichkeit, wird „Kundling“ als „Knütlingen“<br />

ausgewiesen. Beachtenswert, auch Lerche<strong>im</strong>er war ein Schüler Melanchthons, überdies<br />

waren sie eng miteinander befreundet; Melanchthon sorgte dafür, dass Lerche<strong>im</strong>er<br />

in Riga eine Professorenstelle bekam, später wirkte Lerche<strong>im</strong>er an der Universität von<br />

Heidelberg. Die enge Beziehung legt nahe, Melanchthon und Lerche<strong>im</strong>er haben<br />

abseits vom offziellen „Kundling“ über „Knütlingen“ geredet.<br />

1596 schreibt Wolfgang Bütner in seiner „Epitome Historarium“ (Geschichtlicher Abriß):<br />

„Ein solcher Schwartzkünstler vnnd Gast ist auch gewesen Johannes <strong>Faust</strong>us, der mir /<br />

sagt Philippus Melanchthon, gar wol bekandt / seiner geburt von Kündlingen / ein<br />

kleines Städtlein / dass nicht weit von meinem Vaterlande oder He<strong>im</strong>at vnnd geburts<br />

Stadt Bretta ligt.“<br />

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