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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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Nicht weniger wertvoll sind die Nachrichten über Melanchthon selbst. Nicht allein<br />

darüber, dass er überlastet ist und kränkelt und sich nach seinen Studien sehnt,<br />

sondern auch, dass er der protestantischen Scharfmacher genau so leid ist wie der<br />

katholischen, dass er diesen gesamten Hader satt hat, dass er inständig auf Reformen<br />

Roms hofft, damit endlich Ruhe einkehrt. Und geradezu Gol<strong>des</strong> wert ist es zu wissen,<br />

dass Melanchthon sich mit seinen Gutachten als geistiger Hoflieferant missbraucht<br />

fühlt; er liefert die Steine, mit welchen die protestantischen Fürsten und ihre Räte<br />

bauen, oder, um mit Melanchthon zu sprechen: um es zu „verhunzen“. Denn von der<br />

angewandten Politik selbst hält man ihn zu seiner Erbitterung fern – das ist auch gut<br />

so, denn davon hat er so wenig Ahnung, dass er selbst <strong>im</strong> Nachhinein nicht begreift,<br />

dass er mit der angestrebten Reformierung Frankreichs, den französischen König<br />

gleichsam zum Anführer <strong>des</strong> Schmalkaldischen Bun<strong>des</strong> geschlagen und somit das<br />

Reich gespalten hätte.<br />

Auch behandeln ihn seine Lan<strong>des</strong>herrn, darunter auch jener „löbliche Hertzog<br />

Johannes“, schlecht, die Räte bei Hof machen sich über ihn verächtlich und in Folge<br />

der „französischen Affaire“ sieht er sich sogar am Leben bedroht.<br />

Brief vom 31. Aug 1535 an Camerarius:<br />

(2) Auch M. ist in großer Gefahr. Der gegenüber C. oft beklagte Haß gegen ihn aus<br />

den eigenen Reihen, weil er nicht alle extremen Lehren billige, brach anlässlich seiner<br />

Einladung nach Frankreich hervor … (3) M. will seinem Kurfürsten antworten und<br />

dabei seine Entlassung anbieten, da er dieser ständigen Pressionen überdrüssig ist,<br />

und wenn es zum Konzil kommt (geplant war zu diesem Zeitpunkt ein Konzil auf<br />

Weisung <strong>des</strong> Kaisers), werden seine kirchenpolitischen Gegensätze zu seinem<br />

Kurfürsten ihn ohnehin zum Weggang zwingen. (4) Er bittet C. vorsichtig zu sondieren,<br />

ob er in Tübingen unterkommen kann …“<br />

Die Quelle „Camerarius“ die Prior Leib über Stibar und Moritz von Hutten anzapft –<br />

gewiss nicht die einzige Quelle, an der in diesen Jahren geschöpft wird, sie sprudelt so<br />

reichlich, man hat keine Mühe nachzuvollziehen, warum Rom sich in keiner Weise zu<br />

Reformen oder gar einem Konzil gedrängt sah; der Zeitpunkt, wo sich dieser Haufen<br />

von Ketzern und Schwärmern selbst wieder katholisch machte, war absehbar. Untätig<br />

blieb man in Rom <strong>des</strong>halb nicht, am 10. Jan. 1535 brachte Andreas Cricius, Bischof in<br />

Ptock (Polen) ein Schreiben auf den Weg. In Vollmacht <strong>des</strong> Papstes Paul III. und der<br />

Kardinäle fordert er Melanchthon auf, sich von den Ketzern zu trennen und bei ihm<br />

seine Studien zu pflegen.<br />

Leider die falsche Klaviatur, aber einer von vielen Versuchen, Melanchthon ins<br />

katholische Lager zu ziehen. So entgegenkommend Melanchthon als Philosoph in der<br />

Auseinandersetzung mit Rom auch war, so sehr er auf Versöhnung hoffte, so sehr er<br />

sich nach Ruhe sehnte, er war gleichsam so sehr katholisch, dass er nur ein<br />

Lutheraner sein konnte. Die Weltuhr auf „ante Luther“ zurückzustellen, so einfach war<br />

mit ihm nicht umzuspringen, denn dass die alte Kirche reformbedürftig war, davon war<br />

er nicht nur überzeugt, er hatte es in zahlreichen Gutachten dargelegt.<br />

Die Wiege dieser Lauschaktionen, zu einem Zeitpunkt, da noch niemand ahnte, was<br />

die kommenden Jahrzehnte bringen würden, war die Universität Erfurt gewesen. Dort<br />

hatten sich Stibar und Camerarius <strong>im</strong> Jahr 1518 be<strong>im</strong> Griechisch-Studium<br />

kennengelernt. Später brachte Stibar Moritz von Hutten mit Camerarius zusammen;<br />

gemeinsam kümmerten sich um den literarischen Nachlass <strong>des</strong> 1523 verstorbenen<br />

Dichters Ulrich von Hutten.<br />

Der Zeitraum, in welchem dieses Prominenten-Karussell sich dann speziell um <strong>Faust</strong><br />

drehte, beziehungsweise auch <strong>Faust</strong> hier sein Krüglein mit dem Quellwasser höherer<br />

Erkenntnisse füllte, ist kaum zu best<strong>im</strong>men, es lassen sich jedoch Kernjahre<br />

festmachen.<br />

Philipp von Hutten reiste <strong>im</strong> Dezember 1534 mit Nikolaus Federmann von St. Lucar,<br />

an der Mündung <strong>des</strong> Guadalquivir gelegen, nach Venezuela ab. Das Horoskop für die<br />

Reise hat <strong>Faust</strong> wahrscheinlich auch in diesem Jahr erarbeitet. Der „Tuus <strong>Faust</strong>us“-<br />

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