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Faust im Visier des Geheimdienstes (PDF) Neufassung

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einst Melanchthon berichtete, der Kaiser habe Oberarme von der Stärke eines<br />

Oberschenkels besessen … bei einem Turnier …<br />

In einem anderen Kapitelchen erzählt er, dass ein Pastor bei Luther und Melanchthon<br />

am Tisch gesessen sei, der fre<strong>im</strong>ütig bekannte, dass er zu Hause keinen Kalender an<br />

der Wand hätte und auch keinen brauche, es reiche ihm zu wissen, dass seine Bauern<br />

wissen, wann Winter und wann Sommer sei.<br />

Das war es, was die Leute lesen wollten, über eine nivauvolle Mischung von<br />

Staunenswertem und Schwank hineinzuhören, worüber prominente Leute miteinander<br />

redeten, wie es in deren Kreisen zuging.<br />

Manlius begleitet die Drucklegung persönlich, zu diesem Zweck weilt er um 1562 /<br />

1563 einige Monate in Basel be<strong>im</strong> Buchdrucker Johannes Oporin. Wie in „Begardi<br />

ermordete <strong>Faust</strong>“ erläutert, ist es kaum denkbar, dass Manlius während seines<br />

monatelangen Aufenthalts am Oberrhein nicht zu Ohren kam, dass <strong>Faust</strong> in Staufen<br />

starb; Basel und Staufen liegen 40 Kilometer auseinander. <strong>Faust</strong> und sein dramatisches<br />

Ende bewegte die Gemüter der Menschen auf das heftigste; die Zeit der<br />

großen Hexenverbrennungen hat begonnen, Hysterie hat die Menschen erfasst, <strong>Faust</strong>s<br />

Tod war noch <strong>im</strong>mer das Ereignis schlechthin. Zwar sind mehr als zwanzig Jahre<br />

vergangen, sein grässliches Sterben ist wie der Nachhall eines Donners, <strong>des</strong>sen<br />

dumpfes Grollen nicht verebben will. Man studiere dazu den Text der Z<strong>im</strong>merischen<br />

Chronik, 1564 – 1566, also eben in dieser Zeit entstanden, Betroffenheit spricht aus<br />

den Zeilen.<br />

Manlius hätte also Melanchthons Angabe über <strong>Faust</strong>s Sterbeort posthum korrigieren<br />

können. Gutmöglich wusste Manlius <strong>des</strong> Weiteren, dass dieses „Kundling“ auch<br />

„Knütlingen“ genannt wird.<br />

Doch Melanchthon hatte in Wittenberg bei seinen Postillen von „Kundling“, sodann von<br />

einem Tod in „einem Dorff in Wirtenberger landt“ gesprochen, und Manlius rüttelt<br />

daran nicht. Das ist auch gut so. Manlius ist ein ehrgeiziger Herausgeber und das<br />

hohe Ansehen <strong>des</strong> verstorbenen Philipp Melanchthon ist seine Zugmaschine. Die<br />

Sammlung lehrhafter Anekdoten ist ein gewaltiger Verkaufserfolg und mit „Locorum<br />

communium Collectanea“, die jenes <strong>Faust</strong> betreffende Kapitel enthält, legt Manlius<br />

Monate später nach.<br />

Sein Erfolg ruft Kritiker und Neider auf den Plan, darunter Melanchthons Schwiegersohn<br />

Caspar Peucer, der ihn heftig attackiert:<br />

„Auch wenn die Durchsicht der früheren Anekdoten den Leuten, die Melanchthon<br />

gehört haben und sich an das Meiste erinnern, wie es von ihm vorgetragen, erläutert<br />

und eingepasst wurde, vielleicht nicht unangenehm ist: Mit welchem Eindruck und mit<br />

welchem Urteil über den Autor (Melanchthon) aber wird die Nachwelt sie lesen, da sie<br />

doch auf das törichste zusammengeflickt, an den meisten Stellen verstümmelt …“<br />

Dabei könnte man es belassen! Peucer bestätigt, dass viele Leute, <strong>im</strong>merhin aus dem<br />

Umfeld der Universität, sich an das meiste erinnern könnten, dass die Zitate dem<br />

entsprechen, was Melanchthon ausführte.<br />

Dieses Urteil ist ungemein wichtig, nicht allein da es die Richtigkeit der Wiedergaben<br />

bestätigt, es zeigt auch, Manlius operierte nicht <strong>im</strong> freien Raum, er wurde von anderen<br />

kritisch gelesen, er musste sich an die Wahrheit halten.<br />

Andererseits bequengelt Peucer, es wäre „an den meisten Stellen verstümmelt und<br />

zusammengeflickt“.<br />

Eine Kritik, die hellhörig macht, die zum Telefon greifen lässt, um sich erneut <strong>im</strong> Kreis<br />

der Melanchthon- und Manlius-Forschung umzuhören.<br />

„Manlius hat Melanchthon in den anekdotischen Schmutz gezerrt!“ erklärt Stefan Rhein.<br />

„Caspar Peucer, selbst hoch gebildet, Traum von einem Schwiegersohn für<br />

Melanchthon, wollte der Nachwelt das Bild eines gelehrten Philipp Melanchthons<br />

erhalten wissen. Dieses Bild hat Manlius gestört, da er die untermauernden Anekdoten<br />

von den entsprechenden Lehrinhalten abtrennte und damit Melanchthon quasi zum<br />

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