Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt in Baden-Württemberg
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Neue Formen von Jugendfreiwilligendiensten <strong>und</strong> –projekten<br />
Neben der begrifflichen wird auch die rechtliche E<strong>in</strong>ordnung der neueren Modelle<br />
angefragt. Klärungsbedürftig sei etwa, ob e<strong>in</strong> Freiwilligendienst wie e<strong>in</strong> Zivildienst<br />
anerkannt werde oder nicht – wobei es letztlich um die Frage gehe, ob der (neue)<br />
Freiwilligendienst als Ersatz für den Zivildienst tauge (vgl. ebd. S. 60). E<strong>in</strong>e Flexibilisierung<br />
von Freiwilligendiensten sei dann akzeptabel, wenn auch die neuen Strukturen<br />
„rechtlich gerahmt“ (a. a. O.) seien.<br />
Bei näherem H<strong>in</strong>sehen wird schnell deutlich, dass es nicht nur um e<strong>in</strong>en Streit um<br />
Begriffe <strong>und</strong> rechtliche Regelungen geht, sondern um gr<strong>und</strong>sätzliche Bedenken <strong>in</strong> der<br />
Sache, <strong>und</strong> zwar <strong>in</strong> dreierlei H<strong>in</strong>sicht.<br />
Pluralisierung auf Kosten von Qualitätsstandards?<br />
Insbesondere Vertreter/<strong>in</strong>nen der Träger von FSJ <strong>und</strong> FÖJ als den „klassischen“ <strong>und</strong><br />
etablierten Modellen, die seit langem das Attribut „Freiwilligendienst“ tragen, sowie<br />
Vertreter/<strong>in</strong>nen der verbandlichen Jugendarbeit äußern die Befürchtung, mit e<strong>in</strong>er<br />
Pluralisierung der Formen von „Freiwilligendiensten“ könnten die für FSJ, FÖJ <strong>und</strong><br />
verschiedenste Auslandsdienste über Jahre h<strong>in</strong>weg entwickelten <strong>und</strong> bewährten Qualitätsmerkmale<br />
(Begleitung, Bildungsangebote, Vergütung usw.) schleichend aufgeweicht<br />
werden. Ergebnis könne e<strong>in</strong>e Art „Spar-Variante“ von Jugendfreiwilligendienst<br />
mit reduzierten Standards se<strong>in</strong>.<br />
„Verdienstlichung“ von freiwilligem <strong>Engagement</strong>?<br />
Wenn außerdem die Frage gestellt wird, <strong>in</strong>wiefern die derzeit erprobten neuen Modelle<br />
„eher freiwillig seien oder stärker Dienstcharakter hätten“ (ebd. S.61), so ist<br />
auch dies mehr als die Frage nach der angemessenen Term<strong>in</strong>ologie. Zur Debatte steht<br />
die Gr<strong>und</strong>ausrichtung vor allem der neueren Modelle, aber auch – sollten sie denn tatsächlich<br />
e<strong>in</strong>e massive Ausweitung erfahren 30 – der klassischen Dienste des freiwilligen<br />
sozialen <strong>und</strong> ökologischen Jahres: geht es primär darum, bestimmte Tätigkeiten<br />
zu erledigen (dann stünde der Dienst im Vordergr<strong>und</strong>), oder geht es um den Mehrwert<br />
für die Jugendlichen (dann wäre die Freiwilligkeit zu betonen)? So jedenfalls<br />
kontrastierten die Teilnehmenden e<strong>in</strong>er Arbeitsgruppe der oben genannten Tagung<br />
vom Februar 2003 (vgl. a. a. O.).<br />
Dabei wird nicht <strong>in</strong> Abrede gestellt, dass zu e<strong>in</strong>em Freiwilligendienst auch Verpflichtung<br />
<strong>und</strong> Verantwortung gehören („E<strong>in</strong> Freiwilligendienst stellt ke<strong>in</strong>e Beliebigkeit<br />
dar“ – a. a. O.) – jedoch im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er freiwilligen Verpflichtung. Als e<strong>in</strong><br />
Grenzfall wird deshalb die Implementierung von Diensten <strong>in</strong> den schulischen Kontext<br />
bezeichnet: „Schule ist e<strong>in</strong>e Pflichtveranstaltung, e<strong>in</strong>en Freiwilligendienst hier anzusiedeln<br />
stellt lediglich e<strong>in</strong>e Veränderung des Lehrplans dar. Andererseits: Die Verpflichtung<br />
von Jugendlichen im Rahmen der Schulzeit hat positive Effekte für die Jugendlichen“<br />
(a. a. O.).<br />
Von „Freiwilligendiensten“ zu reden sei aber dann e<strong>in</strong> Etikettenschw<strong>in</strong>del, wenn diese<br />
Modelle dazu dienten, professionelle Dienste <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen am Leben zu erhalten,<br />
wenn also „das Kriterium der Arbeitsmarktneutralität nicht erfüllt“ werde<br />
(ebd. S. 62) <strong>und</strong> dementsprechend nicht der Nutzen für die Jugendlichen, sondern die<br />
Eigen<strong>in</strong>teressen der Organisation im Vordergr<strong>und</strong> stünden. Solche Projekte mit<br />
Dienstcharakter seien, so spitzen e<strong>in</strong>ige Diskussionsteilnehmer/<strong>in</strong>nen zu, „wertlose<br />
Projekte“(ebd. S. 61).<br />
30 Vgl. den Vorschlag der Robert Bosch Stiftung, wie 100.000 FSJ-Plätze geschaffen werden<br />
könnten (BERNINGER u. a. 1998).<br />
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