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Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt in Baden-Württemberg

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<strong>Bürgerschaftliches</strong> <strong>Engagement</strong> <strong>und</strong> <strong>Ehrenamt</strong> <strong>in</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> 2002/2003<br />

2.3.2 Bürgerengagement: politische Bedeutung, Motive, Hemmnisse<br />

a. Politische Bedeutung der Diskussion über Bürgerengagement<br />

Die Aufmerksamkeit, die dem Thema „Bürgerengagement“ <strong>und</strong> den dieses <strong>Engagement</strong><br />

unterstützenden Anlaufstellen zuteil wird, steht im Kontext folgender bekannter<br />

Entwicklungen:<br />

1. Der Wertewandel <strong>in</strong> der Bevölkerung: Der Trend zur Individualisierung, die<br />

Bedeutungszunahme der Werte Selbstverwirklichung, Selbstbestimmung <strong>und</strong> des<br />

Wunsches nach demokratischer Teilhabe an der Gestaltung des Geme<strong>in</strong>wesens<br />

führen dazu, dass Bürgerengagement zunehmend e<strong>in</strong>e neue Qualität erhält. Das<br />

Interesse am Geme<strong>in</strong>wohl <strong>und</strong> an der Hilfe für andere Menschen wird immer<br />

stärker mit Mitbestimmungs- <strong>und</strong> Selbstverwirklichungsansprüchen gekoppelt. Es<br />

f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> allmählicher Wandel der <strong>Engagement</strong>formen statt <strong>und</strong> die Zahl der<br />

engagierten Menschen steigt. Gleichzeitig wächst die Unzufriedenheit mit den<br />

klassischen Formen repräsentativer Demokratie (Rückgang der Wahlbeteiligung,<br />

Kritik am Gebaren der Parteien usw.).<br />

2. Der gesellschaftliche Wandel, als dessen Teil der Wertewandel vor sich geht, hat<br />

auch die Seite e<strong>in</strong>er tief greifenden Veränderung gesellschaftlicher Institutionen<br />

wie Familie, Kirchen <strong>und</strong> anderer weltanschaulich geb<strong>und</strong>ener Organisationen,<br />

der das Entstehen sozialer Netze voraussetzungsreicher werden lässt. Dies<br />

führt zu e<strong>in</strong>em Wachstum der Aufgaben, die traditionellerweise von Verbänden,<br />

Institutionen <strong>und</strong> der öffentlichen Hand übernommen wurden.<br />

3. Vere<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Verbände, <strong>in</strong> denen traditionell das Bürgerengagement stattfand,<br />

werden von den Wirkungen dieses Wertewandels <strong>in</strong> der Weise betroffen, dass<br />

viele von ihnen zunehmend Schwierigkeiten haben, <strong>Engagement</strong>bereite zu f<strong>in</strong>den.<br />

Dies bewirkt, dass die Erfüllung mancher ihrer Aufgaben schwieriger wird, <strong>und</strong><br />

dass neben den herkömmlichen Vere<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Verbänden neue Formen des Bürgerengagements<br />

entstanden s<strong>in</strong>d: die <strong>in</strong>formeller organisierten Initiativen.<br />

4. Die F<strong>in</strong>anzkrise der öffentlichen Hand, zurückzuführen auf s<strong>in</strong>kende Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />

<strong>und</strong> steigende (Sozial-)Ausgaben, erschwert immer mehr die Erfüllung<br />

öffentlicher Aufgaben <strong>und</strong> steigert das Interesse von Entscheidungsträgern<br />

<strong>in</strong> Politik <strong>und</strong> Verwaltung, <strong>in</strong> die Erfüllung dieser Aufgaben freiwilliges <strong>Engagement</strong><br />

e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

5. Angesichts des kont<strong>in</strong>uierlich beschleunigten Wachstums von Arbeitsteiligkeit<br />

<strong>und</strong> Komplexität der Gesellschaft wächst gleichzeitig <strong>in</strong> Politik <strong>und</strong> Verwaltung<br />

die E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> die gr<strong>und</strong>sätzlichen Grenzen dessen, was politische Steuerung (mit<br />

den klassischen Steuerungsmedien Geld <strong>und</strong> Recht) <strong>und</strong> adm<strong>in</strong>istrative Planung<br />

(auch abgesehen vom Umfang vorhandener f<strong>in</strong>anzieller Mittel) für die Gewährleistung<br />

e<strong>in</strong>er zukunftsbeständigen Gesellschaftsentwicklung leisten kann (Steuerungsprobleme<br />

komplexer Gesellschaften).<br />

In dieser Situation zeichnet sich am Horizont e<strong>in</strong> “New Deal” des Bürgerengagements<br />

ab, der weitreichende Konsequenzen haben könnte: Bürger erklären sich bereit,<br />

mit Vere<strong>in</strong>en, Verbänden, Politik <strong>und</strong> Verwaltung stärker bei der Erfüllung bestimmter<br />

Aufgaben zusammenzuarbeiten, wenn die Bed<strong>in</strong>gungen dafür “stimmen”,<br />

was vor allem bedeutet, dass ihnen dafür im Gegenzug erhebliche Zugeständnisse im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Kultur der Teilhabe bzw. e<strong>in</strong>er Ergänzung der repräsentativen Demokratie<br />

um neue kooperative Beteiligungsformen gemacht werden.<br />

Dies bedeutet, dass sich Politik <strong>und</strong> Verwaltung ihre Legitimation <strong>und</strong> ihr Profil zunehmend<br />

mit e<strong>in</strong>er neuen Rolle erwerben müssen: der des kooperierenden, moderierenden,<br />

ermöglichenden Staates.<br />

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