Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt in Baden-Württemberg
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Neue Wege der Verbände <strong>in</strong> der Bürgergesellschaft?<br />
(76 %) dieser Verbandsgliederungen unterstreichen solche Bemühungen, während<br />
die Landesverbände nur zu zwei Dritteln (67,3 %) dieser Auffassung zustimmen.<br />
c. Verständnis <strong>und</strong> Bedeutung freiwilligen <strong>Engagement</strong>s<br />
E<strong>in</strong>e abgrenzende Def<strong>in</strong>ition des ehrenamtlichen vom bürgerschaftlichen <strong>Engagement</strong><br />
im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er scharf umrissenen E<strong>in</strong>grenzung dieser <strong>Engagement</strong>formen erweist sich<br />
als schwierig, zumal e<strong>in</strong> relativ breites Gr<strong>und</strong>verständnis herrscht, <strong>in</strong> welchem sich<br />
<strong>Ehrenamt</strong>, freiwilliges <strong>und</strong> bürgerschaftliches <strong>Engagement</strong> überschneiden. Um zu erfahren,<br />
welche Akzente die Verbände <strong>in</strong> diesem Begriffsdiskurs setzen, wurde ihnen<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von Kategorien zur Auswahl gegeben, deren Wichtigkeit sie bei der eigenen<br />
Def<strong>in</strong>ition des freiwilligen <strong>Engagement</strong>s e<strong>in</strong>stufen konnten.<br />
Den Verbänden wurde folgende Frage gestellt:<br />
Was verb<strong>in</strong>det speziell Ihr Verband vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> der bisherigen Verbandserfahrungen<br />
<strong>und</strong> –aktivitäten mit freiwilligem <strong>Engagement</strong>?<br />
Dazu wurde ihnen e<strong>in</strong>e Auswahl von 15 verschiedenen Def<strong>in</strong>itionsmöglichkeiten<br />
freiwilligen <strong>Engagement</strong>s vorgelegt, die sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Rangstufe br<strong>in</strong>gen konnten.<br />
Diese Frage kam e<strong>in</strong>er „Zumutung“ gleich, da sie e<strong>in</strong>en nicht ger<strong>in</strong>gen Bearbeitungsaufwand<br />
erforderlich machte. Bei E<strong>in</strong>bezug aller Verbände <strong>und</strong> Verbandsgliederungen<br />
ergibt sich folgendes aufschlussreiches Bild (Abb. 9):<br />
Danach wird freiwilliges <strong>Engagement</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie als „Ausdruck e<strong>in</strong>er lebendigen<br />
Demokratie“ verstanden, <strong>und</strong> zweitens als aktive „politisch-soziale Mitwirkung am<br />
Geme<strong>in</strong>wesen“. An dritter Stelle wird freiwilliges <strong>Engagement</strong> als die Tätigkeit engagierter<br />
Menschen aufgefasst, die „Lösungen für aktuelle Probleme“ suchen. Diese<br />
drei Eckpfeiler spannen das Wertesystem freiwilligen <strong>Engagement</strong>s auf, <strong>in</strong> dem die<br />
Gedanken der Volks- <strong>und</strong> Handlungssouveränität e<strong>in</strong>er die Gegenwartsprobleme angehenden<br />
Bürgergesellschaft folglich e<strong>in</strong>e zentrale Rolle spielen. In diesen Kontext<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gestellt s<strong>in</strong>d die weiteren Charakterisierungen freiwilligen <strong>Engagement</strong>s (vgl.<br />
Abb. 9): Es manifestiert sich <strong>in</strong> der „ehrenamtlichen Tätigkeit <strong>in</strong> örtlichen Vere<strong>in</strong>en“<br />
(Musik-, Sportvere<strong>in</strong>, Rotes Kreuz, Feuerwehr etc.) <strong>und</strong> es bedeutet, „etwas bewegen<br />
im Ort“, sei es soziale, kulturelle oder ökologische <strong>und</strong>/oder sozioökonomische „Bewegung“<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>er Vielfalt selbst organisierter Initiativen <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen.<br />
Nicht unbedeutend, wenn auch <strong>in</strong>sgesamt nicht vorrangig betont <strong>und</strong> re<strong>in</strong> arithmetisch<br />
auf den Plätzen sieben <strong>und</strong> acht positioniert ersche<strong>in</strong>en die Aspekte der „Selbstverwirklichung“<br />
<strong>und</strong> des „Geme<strong>in</strong>schaftslebens vor Ort“, die sich <strong>in</strong> freiwilligem <strong>Engagement</strong><br />
mit realisieren. Gleichrangig figuriert auf den Plätzen 12 <strong>und</strong> 13 das Verständnis<br />
von freiwilligem <strong>Engagement</strong> als „<strong>Engagement</strong> <strong>in</strong> Selbsthilfegruppen wie als<br />
<strong>Engagement</strong> im Rahmen der „traditionellen Vere<strong>in</strong>skultur“. Der Faktor der Instrumentalisierung<br />
freiwilligen <strong>Engagement</strong>s durch den Staat, der dieses nutzt, um „Aufgaben<br />
abzuschieben“, spielt aus Sicht der Verbandsvertreter/<strong>in</strong>nen ke<strong>in</strong>e bedeutsame<br />
Rolle, ebenso wenig das Argument, freiwilliges <strong>Engagement</strong> stelle lediglich e<strong>in</strong>en<br />
„Modebegriff für das <strong>Ehrenamt</strong>“ dar. Aus der Sicht der Verbandsvertreter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
Verbandsvertreter trägt folglich „freiwilliges <strong>Engagement</strong>“, wenn man es im S<strong>in</strong>ne<br />
der „Kapitaltheorie“ Bourdieus (1983) <strong>in</strong>terpretiert, zur Bildung des sozialen <strong>und</strong><br />
kulturellen „Kapitals“ der Gesellschaft bei. E<strong>in</strong>e solche Auffassung der Verbandsvertreter/<strong>in</strong>nen<br />
könnte mit der Position von Engagierten selbst konvergieren <strong>und</strong><br />
schafft die Gr<strong>und</strong>lage für Diskurse über Kooperation bei der <strong>Engagement</strong>förderung<br />
<strong>und</strong> -entfaltung.<br />
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