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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Ordnung von Raum und Zeit<br />

befindet. Im Unterschied zu den Kochhütten haben die Männerhäuser je einen<br />

Eingang am Fuß- und am Kopfende. Am minderprivilegierten Fußende des<br />

Männerhauses sitzen die noch titellosen Jungen. Sie dürfen ausschließlich vom<br />

hier brennenden Feuer essen, das ap tun genannt wird, das „Feuer ganz hinten“.<br />

Das zweite, nächsthöhere Feuer ist für alle Männer reserviert, die den ersten<br />

bzw. zweiten Titel (teul bzw. brang) erfolgreich absolviert haben. Es wird ap<br />

lon tobol genannt, das „Feuer in der Mitte“. Wichtig ist es, zu bemerken, daß ein<br />

Junge der bereits den ersten oder zweiten Titel trägt (teul oder brang), am heimischen<br />

Feuer mit seinem Vater zusammen essen darf. Im Männerhaus hingegen<br />

muß er sich mit dem ap lon tobol begnügen. Am dritten Feuer ap kon, dem<br />

„heiligen Feuer“, kochen und essen alle Männer die drei oder mehr Titel tragen<br />

(mwil und höher). Diese drei Feuer sind ständig in Gebrauch. Das vierte, privilegierteste<br />

Feuer, direkt am Kopfende des Männerhauses wird nur in Ausnahmefällen<br />

entzündet. Sein Name ist ap tor, was soviel bedeutet wie das „heilige<br />

Feuer, das durch Reiben zweier Hölzer erzeugt wird“. Wenn ein Initiand einen<br />

sehr hohen Titel (abwal und höher) erworben hat, ist er so voller konan, daß er<br />

für eine begrenzte Zeit nicht mehr mit den anderen gemeinsam am dritten Feuer<br />

essen darf, sondern sich am vierten Feuer allein versorgen muß. Erst nach einer<br />

zehntägigen Periode der „Abkühlung“ kehrt er zurück ans dritte Feuer. Und<br />

noch eine weitere Ausnahme gibt es: am Abend nach der erfolgreichen Initiation<br />

in die beiden niederen Grade abwu pola sowie wot darf der Initiand ein Feuer<br />

zwischen dem untersten Feuer ap tun und dem zweiten Feuer ap kon machen.<br />

Hier darf er, und zusammen mit all denjenigen, die ebenfalls in letzter Zeit diesen<br />

Titel erworben haben, mit ihm essen. Zu einigen wenigen Gelegenheiten<br />

kann also der Fall eintreten, daß gleichzeitig fünf Feuer im Männerhaus entzündet<br />

werden.<br />

Nun könnte man meinen, daß angesichts dieser deutlichen Stratifizierung der Sa<br />

Gesellschaft eine strenge Ordnung zwischen den Männern herrscht, die sich im<br />

alltäglichen Umgang in einem sehr formalen Verhalten zwischen Angehörigen<br />

unterschiedlicher Rangstufen äußert, so wie es etwa aus Polynesien bekannt ist.<br />

Dies ist aber keineswegs der Fall. Der Umgang zwischen jung und alt, zwischen<br />

Männern mit vielen und Männern mit wenigen Titeln, ist ungezwungen, und,<br />

abgesehen von den soeben gezeigten physischen Grenzen durch die Position des<br />

Feuers im Raum, kaum ritualisiert, sondern eher zwanglos. Kaum jemand betritt<br />

das mal so, wie es sich eigentlich gehören würde, durch den „Hintereingang“ am<br />

Fußende. Tatsächlich laufen die kleinen Jungen bedenkenlos zu ihren Großvätern,<br />

Onkeln oder „Sponsoren“, die am Kopfende des Hauses sitzen und ihre<br />

Yams oder Taro am Feuer rösten, oder sie ziehen sich in eine dunkle Ecke in der<br />

Mitte des Hauses zurück, um den Gesprächen der Männer zu lauschen. Die<br />

Männer gehen zunächst einmal davon aus, daß jeder in der kleinen Gemeinschaft<br />

die wichtigsten Regeln kennt und respektiert. Geringfügige Überschreitungen<br />

der Etikette, solche, die nicht an die Substanz des Systems gehen, werden<br />

praktisch nicht geahndet. Ganz anders allerdings verhält es sich auch hier,<br />

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