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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Zur Entstehung von kastom als Lebensform & Ideologie<br />

lange zurückliegenden Auseinandersetzug zwischen Lon Wahri und Lon Bubut<br />

darstellt. 37 In den Jahren 1923/24 kommt es erneut zum Krieg zwischen Rantas<br />

und Panwa. 38 Diesmal geht es um Dasu, eine junge Witwe, die offenbar mehrere<br />

Männer gegeneinander ausgespielt hat und später mit dem Missionar MacKay<br />

eine Beziehung beginnt. Fünf oder sechs Menschen sterben (Jolly 1994b:43f;<br />

Monnier 1991:50). Im gleichen Jahr geschieht außerdem ein Mord in Saltas und<br />

fünf Männer und Frauen kommen bei einer Auseinandersetzung zwischen Ponorwol<br />

und Lon Bubut ums Leben. Die Auseinandersetzungen erreichen<br />

schließlich einen Höhepunkt in einem Kampf zwischen Saltas und Rebwisis.<br />

Diesmal steht nicht eine Frau im Mittelpunkt, sondern mehrere Schweine. Einige<br />

Männer aus Saltas sind der Überzeugung, daß Männer aus Rebwisis ihnen<br />

sechs Schweine gestohlen hätten. Sie bereiten einen Überraschungsangriff vor,<br />

der jedoch verraten wird, denn als sie das Dorf betreten, treffen sie niemanden<br />

an. So bleibt nur der Rückzug. Jetzt aber schlägt die Stunde der Männer aus<br />

Rebwisis, die sich im Busch versteckt haben und darauf warten, daß die Feinde<br />

ihnen buchstäblich in die Arme laufen. Ein heftiger Kampf entbrennt, durch den<br />

neun Männer ums Leben kommen.<br />

Das ist die Welt, mit der es Tattevin zu tun hat. Er will entsprechend reagieren<br />

können, will Frieden stiften, ohne Fehler zu machen in einer Situation, die auch<br />

für ihn selbst potentiell tödlich ist. Schon aus diesen Gründen empfiehlt der gesunde<br />

Menschenverstand eine möglichst genaue Kenntnis der kulturellen Bedingungen,<br />

die das Handeln der Sa prägen. Anders als etwa Vincent Jan bemüht<br />

sich Tattevin um eine andere, tolerantere Politik. Die ist zwar nicht im Einklang<br />

mit den offiziellen Direktiven der Maristen, erweist sich aber als weitsichtiger<br />

und lebenspraktischer. Angesichts der häufigen gewalttätigen Auseinandersetzungen<br />

im Sa Gebiet ist Tattevins Toleranz einerseits aus der Not geboren: er<br />

braucht Apologeten und Verbündete, um nicht gänzlich auf verlorenem Posten<br />

zu stehen. Andererseits resultiert sie unbestreitbar aus einem grundsätzlichen<br />

Interesse an der Sa Kultur und einem grundlegenden Respekt diesen Menschen<br />

gegenüber. Tattevins zahlreiche schriftlichen Abhandlungen belegen beide Motive<br />

deutlich. Der Missionar bemüht sich um eine behutsame Vermittlung des<br />

Christentums. Seine Kompromißbereitschaft führt etwa dazu, daß er den christlichen<br />

Gott mit einheimischem Namen „Barkulkul“ nennt, oder indigene Opfer<br />

und sakrale Handlungen mit der christlichen Liturgie zur Deckung zu bringen<br />

versucht. Traditionelle Rituale anläßlich von Geburt, Beschneidung, Heirat, Titelkäufen<br />

oder Tod duldet er bzw. bemüht sich, sie behutsam in christliche Formen<br />

zu überführen oder sie wenigstens um christliche Elemente zu ergänzen.<br />

Die Titelkäufe, das wohl zentralste Element der Sa Kultur, verbietet er nicht,<br />

sondern versucht vielmehr, sie langfristig zu verdrängen. Auch das gol sieht er<br />

37 Ponorwol, Lon Wahri und Lon Bubut existieren heute nicht mehr, die Bewohner sind in<br />

den ersten Jahren nach der Missionierung nach Lonbwe oder Baie Barrier gezogen.<br />

38 In der Nähe des heutigen Sankar aber wahrscheinlich nicht identisch.<br />

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