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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol - ein kastom der Sa: Das Mitteilbare<br />

13.5 Mögliche Entwicklungsphasen des gol<br />

Eines muß klar gesagt werden: niemand kann heute die Entwicklung der gol<br />

Technologie mit Sicherheit nachvollziehen. Man kann lediglich versuchen, anhand<br />

der verbliebenen oralen Überlieferungen sowie aufgrund von technischen<br />

Vergleichen eine oder mehrere mögliche „Urformen“ der Technologie zu rekonstruieren.<br />

Betrachten wir, auf welche Informationen und Überlegungen man dabei<br />

zurückgreifen kann:<br />

Kal Muller schreibt, obwohl er selbst es nicht mehr beobachten konnte, daß<br />

„früher“ ein großer Banyan Baum beim Bau des Turmes als zentraler Stützpfeiler<br />

diente, daß dieser aber inzwischen mehr und mehr an Bedeutung verloren<br />

habe (Muller 1971: 222). Leider findet sich bei ihm kein Hinweis auf den Urheber<br />

dieser Theorie, mir selbst sind jedoch ebenfalls mehrfach ähnliche Vorstellungen<br />

begegnet. Unter anderem vertritt Lorang Tho, ein gol Organisator aus<br />

dem katholischen Dorf Rangusuksu an der Nordwestküste des Sa Gebietes, diese<br />

Ansicht. Rangusuksu ist eine Dependance von Rantas an der Ostküste, wo es,<br />

wie wir später noch genauer sehen werden, ebenfalls eine ungebrochene gol<br />

Tradition gibt. Lorang meint, dass der Ursprung des Turmspringens gol melala<br />

geheißen habe und man sich darunter einen großen Banyan Baum vorstellen<br />

müsse, an den an allen Seiten Sprungbretter angebracht seien, die von nach oben<br />

gespannten Lianen in der Horizontalen gehalten würden. 184 Der schon vor vielen<br />

Jahren verstorbene Papiano aus Ponof an der Nordostküste habe, so sagt Lorang,<br />

noch mit eigenen Augen gesehen, dass man früher von solchermaßen präparierten<br />

Bäumen gesprungen sei, und zwar von allen Seiten, und nicht, wie heute, nur<br />

nach „vorne“. Daß sich die Erinnerung an diese „urtümliche“ Art des Turmspringens<br />

ausgerechnet an der Ostküste, in Rantas, erhalten hat, ist m.E. kein<br />

Zufall, ich werde in Kap. 17.2 noch genauer darauf eingehen.<br />

Eine andere Interpretation des gol melala, die sich auf den ersten Blick von der<br />

soeben erwähnten unterscheidet, sie in der Tat jedoch lediglich um einen weiteren<br />

Aspekt bereichert, erfuhr ich später von Chief Willi Orian Bebe aus Panas.<br />

Demnach leitet sich der Begriff melala von mela, Zwilling, ab. Der Turm wird<br />

deswegen gol melala genannt, weil zwei oder mehr Springer zur gleichen Zeit<br />

von ihm springen können. Chief Willi betont, daß diese Form des Sprunges abzulehnen<br />

sei, weil es zu viele Unfälle damit gegeben habe.<br />

Sali Warara und Watabu aus Bunlap haben wieder eine andere Interpretation des<br />

Begriffes gol melala zu bieten. Sie meinen, dass diese Bauweise so genannt<br />

wird, weil zwei nach oben gespannte Lianen die aus zwei Hauptstreben bestehende<br />

abwal Plattform sichern. Aus diesem Dualismus rühre der Verweis auf<br />

mela, Zwillinge. Beim Sprung würden dann beide Längsstreben der Plattform<br />

abbrechen und so die Wucht des Aufpralles abmildern. Bebe Malegel aus Bunlap<br />

ist der Begriff gol melala zwar unbekannt, auch er meint aber, daß die ur-<br />

184 Lorang hatte zum Zeitpunkt des Gespräches vor, diese "ursprüngliche" Form demnächst<br />

wiederzubeleben.<br />

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