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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Symbolische Dimensionen des gol. Versuch einer Analyse<br />

Lernen bzw. Erkennen in einem Wieder-Erinnern (anamnesis) an die unveränderlichen<br />

„Ideen“ (archai) bestand. Der Mensch als „homo religiosus“ ist notwendig<br />

auch „homo symbolicus“, denn Symbole transportieren sozusagen die<br />

basalen Ideen einer Religion. Eliade, den ich hier als einen „Kronzeugen“ eines<br />

so gearteten Blickes auf die Welt anführe, will Symbole als Vorläufer der Sprache<br />

und des diskursiven Denkens und insofern auch als eine, dem Mythos eng<br />

verwandte, eigengesetzliche Form der Anschauung verstanden wissen. Das<br />

Symbol und seine Botschaft richten sich nicht nur an das erwachte Bewußtsein,<br />

sondern an das gesamte „psychische Leben“ (vgl. Eliade 1963:134). Insofern ist<br />

die wesentliche Funktion der religiösen Symbole die anschauliche Darstellung<br />

der tiefsten, auf begrifflicher Ebene widerspruchsvoll erscheinenden Wirklichkeit.<br />

Im Symbol können, ähnlich wie im Mythos oder im Ritual, an sich unüberbrückbare<br />

Gegensätze vereint werden, sie können das „Ganze“ oder das „Absolute“<br />

beinhalten. Auch das Symbol spiegelt also Ausdruck und Bestreben des<br />

Menschen, die disparaten und widersprüchlichen Aspekte einer Wirklichkeit<br />

oder Sakralität, die Eliade als kompakt und homogen anzusehen geneigt war, zu<br />

einer kohärenten Einheit zusammenzufassen. Es ist Ausdruck einer existentiellen<br />

Spannung und dient dem Versuch einer universalen und totalen Erfassung<br />

der Wirklichkeit, der Integration und „kosmischen Rechtfertigung“ der von ihm<br />

empfundenen „negativen und heillosen Aspekte des Kosmos und der Götter“<br />

(vgl. Eliade 1963:128). Jeder geschichtliche Mensch, so Eliade, trägt in seinem<br />

Bewußtsein die Symbole einer vorgeschichtlichen Zeit. Dieser nicht- bzw. außergeschichtliche<br />

Teil des Menschen reicht aber nicht nur in den animalischen,<br />

instinktiven und organischen Bereich seiner Existenz hinab, sondern erhebt sich<br />

auch über das Leben empor. Der Mensch muß quasi für immer mit diesen ursprünglichen<br />

Symbolen leben, er ist geradezu „Gefangener dieser Symbole“, die<br />

in der, im Vergleich zur profanen Welt von Geschichte und Zeit, an Geist ungleich<br />

reicheren Seele von Anbeginn an schon vorgefunden werden. Die Kenntnis<br />

des Begriffes der „Imagination“ ist zum Verständnis von Eliades Symboltheorie<br />

unerläßlich. Er hält sie für die Vorstellung der „paradiesischen Vergangenheit“:<br />

die Imagination imitiert beispielhafte Vorbilder (lat. imagines), reproduziert<br />

sie, aktualisiert sie stets von neuem, und wiederholt sie unendlich oft.<br />

Von daher sind diese Imaginationen weder durch den wachbewußten menschlichen<br />

Geist bedroht, noch kann eine durchweg positivistische bzw. vordergründig<br />

areligiös ausgerichtete Zivilisation diese zum Verschwinden bringen. Die<br />

Imagination, die von anderen Forschern oft als „Kreativität“ bezeichnet, dadurch<br />

aber mißverstanden wird, ist für Eliade lediglich das Suchen und Finden der Urbilder,<br />

die wir sowieso alle in uns tragen.<br />

schlüsseln zu können, für eine Kapitulation des wissenschaftlichen Auftrags. Im Gegenteil, so<br />

die Auffassung von Lévi-Strauss, ist es gerade die ureigenste Aufgabe der Wissenschaft, diese<br />

Entschlüsselung zu leisten.<br />

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