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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Titel, Magie, Geld, Rhetorik, Mut: Bemerkungen zum Ethos der Sa<br />

der ein Aufstieg im Titelsystem möglich ist, noch Verbündete gefunden werden<br />

können.<br />

12.4 Rhetorische Potenz<br />

Wenn es darum geht, konkret Politik zu machen, also Verhandlungen mit benachbarten<br />

Dörfern, fremden Besuchern oder Regierungsvertretern zu führen,<br />

internen Streit zu schlichten oder aber nach außen eine Position der Stärke zu<br />

demonstrieren, sind wiederum andere Fähigkeiten gefragt als ausschließlich die<br />

des symbolischen Titelträgers, Priesters, Zauberers oder Händlers. Vielmehr<br />

sind hier Männer notwendig, die möglichst viele der gerade genannten Eigenschaften,<br />

und noch ein paar andere mehr, auf sich vereinen. Wir haben weiter<br />

oben bereits erörtert, daß es die Kolonialverwaltung war, die in den 1940er Jahren<br />

das Amt des „Chiefs“ einführte, um einen zumindest indirekten Einfluß auf<br />

die nach ihren Maßstäben führerlose kastom Bevölkerung ausüben zu können<br />

(vgl. Kap. 6.3). Anfangs wählte man stets alte, bewährte Männer aus, die bereits<br />

hochrangige warsangul waren. Im weiteren Verlauf der Entwicklung begegnet<br />

uns dann jedoch ein uneinheitliches Bild, denn einige dieser Männer brachten,<br />

trotz ihrer vielen Titel, nicht die nötigen Fähigkeiten mit, um auf dem Feld der<br />

Politik bestehen zu können. Im Gegensatz zu Chief Meleun Temat waren Chief<br />

Molsuta und Chief Wamol, obwohl bedeutende warsangul, aufgrund mangelnder<br />

rednerischer Begabung politisch nur Übergangskandidaten, die bald abgelöst<br />

wurden. Jolly hat für die siebziger Jahren sehr anschaulich beschrieben, daß der<br />

wohl einflußreichste kastom Führer dieser Zeit, der bereits erwähnte erst etwa<br />

fünfzigjährige Bumangari Kaon, mit bumangari lediglich den ersten abwal Grad<br />

erreicht hatte. Dennoch war er, vor allem aufgrund seiner herausragenden rednerischen<br />

Begabung, aber auch wegen seiner ökonomischen Fähigkeiten und Reiseerfahrungen,<br />

mehr als zwanzig Jahre lang der unumstrittene politische Führer<br />

von Bunlap (Jolly 1994a: 49). Auch ein Mann aus Lonbwe (dessen Namen Jolly<br />

jedoch nicht nennt), besaß lediglich einen bosis Titel, was ihn jedoch nicht davon<br />

abhielt, bei den informellen Treffen in den Männerhäusern oder aber bei<br />

den dorfübergreifenden Treffen der kastom Führer von Südpentecost seine einflußreiche<br />

Stimme machtvoll zu erheben. Andererseits beschreibt sie, daß der zu<br />

ihrer Zeit hochrangigste warsangul, ein Mann mit Namen Tho, in politischen<br />

Dingen inkonsequent und daher auf dieser Ebene wenig respektiert war. 162 Zwar<br />

galt er als Ritualexperte und wurde als solcher auch mit Respekt behandelt, unter<br />

den sich jedoch eine gute Portion Ironie mischte, denn insgeheim machten<br />

sich andere hochrangige Männer über sein mangelndes politisches bzw. rednerisches<br />

Talent lustig, während die Kinder sich über seine Inkontinenz und ulkigen<br />

Tanzbewegungen mockierten (vgl. Jolly 1994a: 231). Keineswegs ist es also so,<br />

162 Jolly meint, Tho habe einen takuru Titel besessen. Ich folgere aus meinen Daten jedoch<br />

daß es sich um einen meleun takkuru Titel gehandelt haben muß, der, wie wir gesehen haben,<br />

keinen eigenen Titel, sondern lediglich eine Verstärkung von meleun darstellt.<br />

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