VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

Titel, Magie, Geld, Rhetorik, Mut: Bemerkungen zum Ethos der Sa
Fäusten, oder aber, was gravierendere Konsequenzen nach sich zieht, mit den
überall im Einsatz befindlichen langen Buschmessern ausgetragen werden. Auch
heute noch kann man also, etwa im Streit mit Männern des Nachbardorfes, seinen
Mut beweisen. Ein Ventil für überschüssige Kräfte und Energien könnte
auch das gol darstellen, denn selbstverständlich bedarf es einer gehörigen Portion
Mutes, aus zwanzig oder mehr Metern nur mit Lianen gesichert in die Tiefe
zu springen. Die Sa schätzen diese Art Mut, bewerten ihn jedoch nicht über. Ein
Mann, der „über“-mutig den Gegner angreift, der bei mehreren gol mehrfach
hintereinander von möglichst weit oben springt oder unüberlegt und maßlos unvorsichtige
Dinge tut, qualifiziert sich dadurch nicht unbedingt für eine ansehnliche
Position innerhalb der Gemeinschaft, wird nicht automatisch ein „Chief“.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es sehr unterschiedliche, institutionell
teils völlig voneinander entkoppelte Wege sind, die ein Mann beschreiten muß,
um ein im Sinne des Ethos der kastom Sa erfülltes, ansehnliches Leben zu führen.
Unterschieden wird dabei zwischen „kühler“, friedensbringender sowie
„heißer“, aggressiver Kraft. Nur wer über beides verfügt, kann die volle Bandbreite
des Ethos entfalten und empfiehlt sich vielleicht für eine machtvolle Führungsposition.
Zur kühlen Kraft gehört an erster Stelle die Akkumulation von
konan im warsangul System sowie das Verfügen über temat, friedensbringender
spiritueller Potenz, wie sie beispielsweise beim Auftreten als öffentlicher Redner
vor großen Versammlungen unentbehrlich ist. Notwendig sind weiterhin kluges
Geschick in ökonomischen Dingen und das genau überlegte, verläßliche Handeln
des loas Priesters bzw. Ritualexperten. Zu den heißen Kräften zählt man
überbordenden Mut, Übermut, der vor allem in Kriegsdingen, aber auch beim
gol erforderlich ist, ferner etwa den Zorn des abile. Es liegt auf der Hand, daß
ein Zuviel hiervon das Zusammenleben innerhalb der Gemeinschaft und darüber
hinaus schnell gefährden kann.
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