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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Zur Entstehung von kastom als Lebensform & Ideologie<br />

6. Zur Entstehung von kastom als Lebensform & Ideologie<br />

Die Insel Pentecost erhielt ihren Namen von Antoine de Bougainville, der sie<br />

am 22. Mai, dem Pfingstsonntag des Jahres 1768 „entdeckte“. Sie erstreckt sich<br />

über eine Länge von etwa 70 Kilometern bei nur etwa 10 Kilometern Breite von<br />

Nordnordwest nach Südsüdost. Pentecost in Teil der Penama Provinz im Norden<br />

des Vanuatu Archipels. Der südliche Teil der Insel ist Heimat für etwa 2400<br />

Sa. 25 Im Jahre 2004 bekennen sich unter den Sa Dörfern neben Bunlap auch<br />

Sankar, Lonbwe, Pohurur, Lonlibilie, Bilaut, Lonau, Ratap und einige kleinere<br />

Weiler, die teils nicht ständig besiedelt sind, zu kastom. Es ist für das Verständnis<br />

des Turmspringens von entscheidener Bedeutung, daß wir uns sehr auführlich<br />

mit dem beschäftigen, was gemeinhin kastom genannt wird. Ohne kastom,<br />

das wird später noch deutlich werden, würde es das Turmspringen heute aller<br />

Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr geben.<br />

Versuchen wir eine erste, deduktive Analyse und beginnen mit einigen allgemeinen<br />

Überlegungen: Kastom ist vielfach als „religiöse Revitalisationsbewegung“<br />

beschrieben worden (vgl. f.a. Jolly 1982; Keesing/Tonkinson 1982). Im<br />

allgemeinen versteht man darunter die Ablehnung des Christentums und die<br />

Wiederbelebung bzw. das ganz bewußte Festhalten an regional wichtigen „traditionellen“<br />

Werten und Bräuchen, das sich augenfällig schon in der Ablehnung<br />

westlicher Kleidung zeigt. In Vanuatu findet man neben den kastom Sa von<br />

Südpentecost auch in der Gegend von Yakel auf der Insel Tanna eine größere<br />

kastom Gemeinschaft. Ähnlich wie in Bunlap lehnt man auch in Yakel ganz bewußt<br />

westliche Kleidung ebenso wie Schulen und Missionsstationen ab. Ähnliche,<br />

mehr oder weniger rigide Formen von kastom finden sich auch in so verschiedenen<br />

anderen Teilen Melanesiens. Was kastom im Einzelnen jeweils bedeutet,<br />

läßt sich nur sehr allgemein definieren, weil es sich von Fall zu Fall sehr<br />

unterschiedlich darstellt. Der amerikanische Ethnologe David Akin versucht<br />

folgende Annäherung:<br />

“Kastom is a Melanesian Pijin word (from English ‘custom’) denoting ideologies and activities<br />

formulated in terms of empowering indigenous traditions and practices… (…) …anxieties<br />

at encroaching modernity can lead people to elaborate – rather than abandon or simply reify –<br />

ancestral traditions, as objectified kastom is transformed, extrapolated, and absorbed into everyday<br />

practice. It shows how this can occur through subjective processes that transcend the<br />

realm of overt cultural politics that has preoccupied so many anthropological studies of Melanesian<br />

kastom. With our attention so focused on the objectification of culture as kastom, anthropologists<br />

have neglected the concurrent subjectivization of kastom as culture. The two<br />

processes are constantly in play, each continuously shaping the other over time. It can become<br />

problematic to starkly differentiate kastom from culture except as analytical constructs. “<br />

(Akin 2004: 299f)<br />

25 Dies ist ein Schätzwert, eine genauere Bevölkerungszahl ist nicht zu ermitteln. Ein Zensus<br />

von 1979 geht von 1719 Sa Sprechern aus. Ich schätze aufgrund des angenommenen Bevölkerungswachstums<br />

von zwischen 2.5 und 3.2 % p.a. die Bevölkerungszahl in 2004 auf ca. 2400.<br />

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