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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Zur Entstehung von kastom als Lebensform & Ideologie<br />

Stellvertreter sei vergiftet worden, weil er wiederum Meleun Temat vergiftet<br />

habe um endlich selbst Chief sein zu können. Nun scheint der Weg für Meleun<br />

Temats Sohn Wamol freigewesen zu sein, der Vater des heutigen Chief Bebe<br />

Malegel, der jedoch ebenfalls nicht lange im Amt bleibt. Robert Lane beschreibt<br />

den Mann, der Mitte der 50er Jahre Chief von Bunlap ist, als schwachen Mann,<br />

der sich kaum Gehör verschaffen kann:<br />

„The government chief at Bunlap is a man with neither the temperament nor the inclination to<br />

exert the authority that the government might desire of him. He suffers the jibes of his fellow<br />

villagers who are mildly annoyed and amused by his position and he is much embarrassed<br />

when he is referred to as ‘the chief’. (Lane 1956:170)<br />

Auch Jolly bezieht sich auf Lanes Text, aber weder Lane noch Jolly können offenbar<br />

den Namen des Mannes nennen, um den es hier geht. Ich vermute, daß es<br />

Wamol gewesen ist. Aufgrund einer Beinverletzung muss er am Stock gehen,<br />

was ihn physisch unbeweglich und angreifbar macht und vielleicht auch ein<br />

Minderwertigkeitsgefühl in ihm nährt. Sicher ist lediglich, daß der Titel bald an<br />

den jungen Bong Bumangari Kaon weitergegeben wird, einer der Söhne von<br />

Chief Meleun Temat. Bong bleibt dann für mehr als 20 Jahre lang Chief von<br />

Bunlap bleibt. Der jetzige Chief Warisul beschreibt aus seiner Sicht die historischen<br />

Abläufe wie folgt:<br />

„Mein Vater konnte ein bißchen Bislama, deswegen wurde er der Assistent vom alten Meleun.<br />

Immer wenn die Regierungsleute kamen, um mit Chief Meleun Temat zu sprechen, hat mein<br />

Vater ins Bislama übersetzt. Daher kommt es, daß, als Meleun Temat gestorben war, mein<br />

Vater seinen Platz einnahm. Als mein Vater dann gestorben war, nahm Wamol seinen Platz<br />

ein und wurde Chief. Später folgte Chief Bong. Als Bong dann starb, begann sein Bruder<br />

Telkon diese Arbeit zu machen. So war es also. Telkon hat viel mit den Leuten hier gemacht,<br />

aber er war nicht stark genug, weil er ganz allein war. Und weil er viel zuviel unterwegs war.<br />

Daher machte er Chief Molbua Meleun Bangbang zu seinem Assistenten, während der kurzen<br />

Zeit, in der Molbua hier lebte. Als Telkon aber feststellte, daß Chief Molbua nicht gut genug<br />

Bislama sprach und Telkon nach Vila ging, fragte er sich, wer jetzt wohl seinen Platz in Bunlap<br />

einnehmen sollte. Und dann übergab er einen Teil seiner Macht an mich, so daß ich jetzt<br />

unsere Leute hier führe. Das geht bis heute so.“<br />

(Chief Warisul, Bunlap, November 2004)<br />

Mitte oder Ende der 50er Jahre, das genaue Datum läßt sich nicht mehr rekonstruieren,<br />

übernimmt also Bong die Führung Bunlaps. Jolly berichtet, er habe<br />

schon zur Amtszeit Wamols nach seiner Macht gegriffen, indem er dessen rituell<br />

bedeutsames Schneckenhorn gestohlen habe und öffentlich erklingen ließ (Jolly<br />

1994b:49). Meine Nachfragen konnten diese Version hingegen nicht bestätigen.<br />

Vielmehr sei Bong, so wurde mir stets übereinstimmend berichtet, auf dem<br />

Tanzplatz von der Mehrzahl der anwesenden warsangul zum Chief gewählt<br />

worden. Bong war zweifellos eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Er hatte<br />

während des 2. Weltkrieges als einer der ersten kastom Männer überhaupt einige<br />

Jahre lang in Espiritu Santo für die amerikanische Armee gearbeitet, wo er aus<br />

nächster Nähe den Lebensstil und die beeindruckenden Güter der Amerikaner<br />

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