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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol als Ritual? Versuche zur Ritualtheorie<br />

Als Fazit kann gelten, daß der ethnographische Befund es keinesfalls rechtfertigt,<br />

das gol für ein Initiationsritual zu halten. Statt dessen sind die Beschneidung,<br />

und mit ihr das Set von warsangul Ritualen, die wir nun nochmals etwas<br />

differenzierter und im direkten Vergleich zum Turmspringen betrachten wollen,<br />

als typische Initiationsrituale zu betrachten. Insgesamt verstärkt sich die bereits<br />

mehrfach geäußerte Vermutung, wonach das gol, folgt man den oben erarbeiteten<br />

Kategorien, grundsätzlich eher als eine Art Spiel erscheint.<br />

Abb. 49: Jungen spielen gol und üben so das Springen und das Tanzen.<br />

(Bunlap-Bena, April 2002)<br />

18.8 Gol und warsangul im Vergleich<br />

In Kap. 12.1 haben wir gesehen, daß sich der Erwerb von warsangul Titeln nach<br />

relativ strengen Regeln vollzieht, die auch weitestgehend eingehalten werden.<br />

Höchstens kleine Spielräume werden gewährt. So ist das Überspringen einzelner<br />

Grade im Prinzip nicht möglich, wenn es dennoch mitunter praktiziert wird, beschränkt<br />

es sich auf die obersten Titel nach dem Erreichen der ersten mol Titel.<br />

Ich meine, daß das warsangul System das der Sa Gesellschaft zugrundliegende<br />

Ethos reflektiert, transportiert und festigt. In Kapitel 12 haben wir gesehen, daß<br />

sich ein diesem Ethos verpflichtet fühlender Mann innerhalb eines lebenslangen<br />

Prozesses aufgrund eigener Leistung in den geschilderten, sehr verschiedenen<br />

Lebensbereichen, eine durch die Titel symbolisch abgesicherte, gefestigte gesellschaftliche<br />

Position verschaffen kann. Auf dieser Ebene gibt es also eindeutig<br />

funktionale Rückbezüge zwischen warsangul System und anderen wichtigen<br />

Institutionen.<br />

Hingegen besteht beim Turmspringen in vielerlei Hinsicht, etwa bezüglich Teilnahme,<br />

Anzahl der Sprünge oder Höhe des Absprunges, weitgehende Entscheidungsfreiheit<br />

des Einzelnen. Es gibt hier praktisch keine festgelegten Beziehungen<br />

zwischen Sprunghöhe und Alter oder Titel der einzelnen Springer. Die von<br />

den Teilnehmern am Turmspringen geforderten Fähigkeiten sind vor allem Mut<br />

und ein gewisses Maß an körperlicher Fitneß. Vergleicht man diesen Befund mit<br />

der dem warsangul System zugrundeliegenden Ordnungsvorstellung, dann muß<br />

man zu dem Schluß kommen, daß beim gol Regeln gelten, welche die normale<br />

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