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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Zur Entstehung von kastom als Lebensform & Ideologie<br />

li 45 , stammen, sehen seinen Einfluß auf die kastom Bewegung differenzierter,<br />

etwa Chief Warisul:<br />

„Es stimmt schon, daß manche Leute sagen, daß Chief Bong kastom verteidigt hat. Aber ich<br />

muss hinzufügen, daß auch mein Vater und der Vater von Chief Bong und der Vater von<br />

Chief Molsmok und auch einige andere alte Männer verhindert haben, daß kastom geschwächt<br />

wurde. Bong war ja 20 Jahre nicht hier, weil er im Krieg gearbeitet hatte. Als er<br />

zurückkam, hatten die anderen Männer viele Jahre lang kastom gehütet, wäre das nicht der<br />

Fall gewesen, wäre die Kirche längst nach Bunlap gekommen. Es stimmt schon. Bong hat<br />

kastom hochgehalten. Aber vor ihm haben das auch viele andere schon gemacht. Meleun Temat,<br />

mein Vater Molsuta und noch andere. Ich denke schon, daß Bong ein wichtiger Mann<br />

war. Weil er nach Santo gegangen ist, für die Regierung, Schon als er noch klein war, ist er<br />

mit einem Mann von Bunlap nach Santo gegangen. Das war Meleun Temat. Er arbeitete dort<br />

und man hat gesehen, daß er gut arbeiten konnte. Damals sind auch die Amerikaner nach Santo<br />

gekommen und sie fragten die Leute aus Bunlap, ob sie nicht den Jungen mitnehmen könnten,<br />

damit er für sie arbeitet. Wir wissen auch nicht, warum sie gerade ihn ausgewählt hatten.<br />

War es, weil er so fleißig war oder warum sonst? Und so arbeitete er auf dem Truck, er konnte<br />

Trucks fahren. Dann arbeitete er als Bulldozerfahrer. Die Hauptstrasse in Santo hat Chief<br />

Bong gebaut. Als er so arbeitete, sah er so einiges vom weißen Mann, aber auch so manches<br />

vom schwarzen Mann und er dachte bei sich – oh, das hier ist nicht so gut, und dieses hier<br />

auch nicht. Als er dann zurückgekommen war, sah er, daß kastom noch lebendig war. Er war<br />

glücklich darüber. Glücklich, daß kastom so stark war und er dachte, unser kastom ist gut. Wir<br />

sollten ihn nicht verlieren, sondern behalten und pflegen. So sagte er es den Alten. Als dann<br />

die ganzen Missionare gekommen waren, etwa die Church of Christ und andere, versuchten<br />

sie, die Alten für die Kirche zu gewinnen. Aber die wollten nicht. Auch die Katholiken kamen<br />

und versuchten, die Alten zu gewinnen, aber die wollten nicht weil Chief Bong ihnen gesagt<br />

hatte: Nein, wir werden kastom nicht verlieren. Wir bleiben einfach dabei. Die Alten haben<br />

kastom gepflegt bis Chief Bong ein Mann geworden war, der etwas wußte. Er wollte den<br />

Alten doch vor allem helfen, damit sie den anderen predigen sollten, daß wir kastom bewahren<br />

müßten: ‚Ihr dürft ihn nicht verlieren, ihr sollt ihn einfach behalten.’ Als er gekommen<br />

war, hatte sich Paul aus Lonbwe aber schon für skul entschieden. Weil aber Bong so einflußreich<br />

war, gelang es ihm, die Leute aus Lonbwe zu überzeugen, doch wieder zu kastom zurückzukehren.<br />

Und weil ihm das auch gelang, wuchs unsere Bevölkerung wieder. Das führte<br />

dazu, dass wir jetzt so viele sind, die zu kastom gehören.“<br />

(Chief Warisul. Bunlap, November 2004)<br />

Margaret Jolly beschreibt Bong als überaus intelligenten, zunächst jedoch mißtrauischen<br />

und abweisenden Mann, der in ihr anfangs eine Art Glücksritterin<br />

vermutet bzw. sie für eine Art Spionin der Regierung hält. Aber es gibt noch<br />

einen Grund, weshalb Bong nicht will, daß die junge Ethnologin sich stationär in<br />

45 {Sa} Verwandtschaftskategorie, wörtl.: Loch im Haus. Bulu (Loch) und im (Haus, genauer:<br />

Schlafhaus im Vergleich zu mal – Männerhaus.) Begriff für „erweiterte Hausgemeinschaft“.<br />

Ein verbindendes Element für alle Mitglieder einer buluim ist die mythische Herleitung eines<br />

gemeinsamen Ursprunges aus, oder einer besonderen Verbindung zu, bestimmten Pflanzen<br />

(z.B. Taro, Yams, Liane etc.), Tieren (z.B. Schwein, Fisch, Schlange etc.) Naturelementen<br />

(z.B. Sonne, Meer, bestimmte Felsenformationen etc.) oder ausnahmsweise auch einem mythischen<br />

Gründer. Diese besondere Verbundenheit geht in der Regel mit Tötungs-, Speiseund<br />

Berührungsverboten einher. Die gleichzeitige Zugehörigkeit zu verschiedenen buluim,<br />

etwa durch Adoption, ist prinzipiell möglich (vgl. Kap 11.1)<br />

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