20.11.2013 Aufrufe

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Körper und Kleidung: bi pis und rahis als Fanal für kastom<br />

die Franzosen betrieben. Dazu gehörte unter anderem, daß sie jedem Mann und<br />

jeder Frau in Bunlap strikt untersagt hatten, westliche Kleidung zu tragen. Statt<br />

dessen legten die „Dokumentaristen“ größten Wert darauf, daß die Bilder aus<br />

dem vermeintlich letzten wirklich „wilden“ Dorf Melanesiens auch den Vorstellungen<br />

der Redakteure entsprechen mußten, die den Film für sehr viel Geld in<br />

Auftrag gegeben hatten. Konkret bedeutete dies, daß als Kleidungsstücke ausschließlich<br />

Penisbinde und Grasrock im Bild zu sehen sein durften, die wenigen<br />

Blechdächer mit natagora oder alten Palmwedeln verdeckt werden mußten und<br />

überhaupt so gut wie alles nicht „authentisch ursprüngliche“ aus dem Blickfeld<br />

zu verschwinden hatte. Da ich selbst, um meinen Respekt vor kastom sichtbar<br />

zum Ausdruck zu bringen, stets bi pis trug und Martina meist mit Grasrock herumging,<br />

stellte Bong, einer unserer<br />

wichtigsten Partner in Bunlap,<br />

an diesem verregneten<br />

Nachmittag die völlig ernstgemeinte<br />

Frage, ob wir nicht beim<br />

gol mittanzen wollten, da wir ja<br />

schließlich auch kastom seien.<br />

Auf meine Frage, was uns denn<br />

zu kastom Leuten mache, entgegnete<br />

Bong wie selbstverständlich,<br />

daß wir ja stets bi pis<br />

und rahis tragen würden und daß<br />

die Franzosen ja genau das filmen<br />

wollten. Daß die Filmleute<br />

jegliche Art von westlicher Kleidung<br />

„verboten“ hatten, deckte<br />

sich durchaus mit dem Selbstverständnis<br />

der Bewohner von Bunlap,<br />

die daher auch kein Problem<br />

darin sahen, in der Gegenwart<br />

der Fernsehkameras Tragetücher<br />

aus Stoff, wärmende Pullover, T-<br />

Shirts oder Shorts abzulegen. Da<br />

auch wir in „Tracht“ gingen,<br />

konnte Bong überhaupt nicht<br />

verstehen, warum wir uns nicht<br />

Abb. 13: Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen.<br />

Der Autor am Telefon mit Warisus<br />

Telkon. (Bunlap-Bena, Okt. 2004)<br />

ohne weiteres in die Riege der kastom Tänzer einreihen sollten. Unsere weiße<br />

Hautfarbe und der Umstand, daß wir die Sa Kultur noch kaum kannten, spielten<br />

in diesem Moment eine nur untergeordnete Rolle. Zieht man den Umstand, daß<br />

Bong uns ehrlich wohlgesonnen war und wohl auch eine Freude machen wollte,<br />

sowie die Eigendynamik ab, die ein solcher freundschaftlicher Moment gewinnen<br />

kann, so bleibt doch seine spontan geäußerte Überzeugung, daß wir aufgrund<br />

unserer Bereitschaft, täglich bi pis und rahis zu tragen, irgendwie zu ka-<br />

- 82 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!