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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Einleitung<br />

schließen, kulturelle und historische. Bevor ich etwas weiter unten konkret auf<br />

den näheren theoretischen Rahmen eingehe, innerhalb dessen das gol betrachtet<br />

werden soll, will ich hier kurz darlegen, welchen Traditionen in der Ethnologie<br />

ich mich dabei grundsätzlich verpflichtet fühle. Die Frage danach ist berechtigt<br />

und doch fast nicht zu beantworten. Ungeachtet der Haltung, die man als Ethnologe<br />

zum Soziologen und Kulturphilosophen Jürgen Habermas haben mag, muß<br />

man doch konstatieren, daß sich seit zwanzig Jahren an der von ihm ausgerufenen<br />

„Epoche der neuen Unübersichtlichkeit“ nichts geändert hat (Habermas<br />

1985). Es wäre wohl vermessen, würde man für sich reklamieren wollen, einen<br />

einzigen Ausweg aus der Krise von Repräsentation einerseits und Theoriebildung<br />

andererseits gefunden zu haben. Im Gegenteil meine ich mit Clifford<br />

Geertz, daß Ethnologen heute eigentlich vor unlösbaren Aufgaben stehen: die<br />

Gesellschaften, die wir untersuchen, sind irgendwie halb traditional, halb modern.<br />

Die „Feldforschung“ hat als Herzstück ethnologischer Forschung eine unüberschaubare<br />

ethisch-moralische Komplexität angenommen und ungeahnte<br />

technisch-bürokratische Problemfelder aufgeworfen. Die Unmengen verschiedener<br />

Methoden, Beschreibungs- und Analyseverfahren, derer wir uns bedienen,<br />

stehen nicht selten in diametralem Gegensatz zueinander – oder sind nach allen<br />

möglichen Seiten hin irgendwie beliebig offen. Ein „turn“ löst den nächsten in<br />

regelmäßig kürzer werdenden Abständen ab (vgl.f.a. Bachmann-Medick 2006).<br />

Unsere Forschungssubjekte können für sich selbst sprechen und tun das auch. 14<br />

Wir haben die Exegesehoheit zwar einerseits verloren, können aber andererseits<br />

doch nicht so ganz davon lassen, woran auch postmoderne Ansätze oder Writing<br />

Culture Versuche im Kern nichts ändern; es sei denn, man gibt den Versuch,<br />

ethnologische Wissenschaft zu betreiben, ganz und gar auf (vgl. Petermann<br />

2004:1004ff.). Ethnologen werden, und ich nehme mich dabei in keiner Weise<br />

aus, von schweren inneren Unsicherheiten geplagt, die fast einer erkenntnistheoretischen<br />

Hypochondrie gleichkommen, im Hinblick auf die Frage, wie man<br />

wissen kann, daß irgend etwas, was man über andere Lebensformen sagt, tatsächlich<br />

so ist (vgl. Geertz 1990:73). Dennoch ist der Versuch des Ethnologen,<br />

tatsächlich etwas über kulturelle Wirklichkeit auszusagen, nicht aufzugeben.<br />

Vielleicht ist er, angesichts einer vermeintlich allwissenden, weltumspannenden<br />

Medienmaschinerie, die sich freilich nur selten die Zeit für einen genauen Blick<br />

nimmt, heute sogar notwendiger denn je. Ich nehme die Herausforderung, Ethnologie<br />

wissenschaftlich zu betreiben jedenfalls ernst, und bemühe mich hier um<br />

einen realen Erkenntnisfortschritt.<br />

14 Zwar höre ich Nisa beim Erzählen gerne zu, kann aber nicht von ihr erwarten, daß sie die<br />

notwendige, oft ermüdende und für den teilnehmenden, beobachtungsbeobachtenden Forscher<br />

immer schmerzhaft gefühlte Distanz zu ihrer eigenen Geschichte aufbringt, die den Blick auf<br />

Bedeutung erst ermöglicht (vgl. Shostak: 2001). Im Übrigen: daß sich unsere Protagonisten<br />

immer öfter auf die ethnologischen Arbeiten unserer Vorgänger beziehen, macht die Sache<br />

auch nicht gerade leichter.<br />

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