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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Einleitung<br />

ziale Wirklichkeit, oder, wenn man so will, eine „authentischere Inszenierung“<br />

dar, als viele andere Formen der Kulturvermittlung und –interpretation.<br />

Kommen wir nun jedoch zum tatsächlichen Gegenstand dieser Arbeit zurück<br />

und stellen uns die Frage, woher die allerersten Quellen stammen, aus denen die<br />

weiter oben skizzierten populären Deutungen rühren. Es existieren, neben sechs<br />

schriftlichen Veröffentlichungen von Nicht-Ethnologen, ganze drei Aufsätze<br />

von Ethnologen zum Thema (Jolly1994b; de Burlo1996; Ryman 1998). Bei genauerer<br />

Betrachtung dieser neun Texte erkennt man rasch, wo die oben genannten<br />

Interpretationen ihren Ursprung hatten, bevor sie popularisiert wurden. Zuerst<br />

wird das gol im Jahre 1902 von Francois Le Fur beschrieben, der zwischen<br />

1898 und 1907 als Missionar in Südpentecost tätig war. Er gilt als der erste<br />

Weiße, der die Sprache der Sa lernte, seine Geschichte wird uns weiter unten<br />

noch ausführlicher beschäftigen. Daß er im Jahre 1902 mit dem gol in Berührung<br />

kam, ist allerdings lediglich in einer Randnotiz des Kirchenhistorikers Paul<br />

Monnier erwähnt (Monnier 1991:15). Pere Victor Douceré, zu dieser Zeit Bischof<br />

und Chef der Maristen in Vanuatu, stattet der Insel Pentecost einen ausführlichen<br />

Besuch ab. Zusammen mit dem für Pentecost zuständigen Francois<br />

Le Fur gelangt er unter anderem in ein Dorf, in dem gerade ein Turmspringen<br />

abgehalten wurde. Um welches Dorf es sich dabei handelt, erfahren wir leider<br />

nicht, wohl aber den Mythos, der uns von nun an noch öfter begegnen wird. Ob<br />

dieser tatsächlich von Le Fur beschrieben oder nachträglich von Monnier hinzugefügt<br />

wurde, bleibt ebenfalls offen:<br />

„Dans un village, ils arrivent juste après le saut du gol ‘cette coutume barbare et superstitieuse’<br />

(dit Douceré) qui se célèbre chaque année dans le Sud Pentecôte et qui deviendra, plus<br />

tard une attraction mondiale. L’immense tour de branchage est encore debout. Du haut de<br />

cette tour, les jeunes hommes se précipitent dans le vide. Des lianes sont liées à leurs chevilles.<br />

Les lianes se tendent juste au moment où ils vont s’écrasér à terre. Ils sautent de plus en<br />

plus haut, vingt mètres, trente mètres. C’est une école de haut risque ou le jeune guerrier<br />

donne la preuve de son courage! Le Fur raconte: ‘Autrefois, un mari poursuivait sa femme<br />

infidèle. La femme se sauve et grimpe pour se cacher dans un banian,… le mari la suit. La<br />

femme sauté dans le vide et le mari aussi. Mais la femme avait lié des lianes à ses chevilles.<br />

Elle survit tandis que le mari va s’écrasér au sol…’ Alors, depuis cette tragédie, ce sont les<br />

hommes qui sautent!” (Monnier 1991: 15)<br />

Einer von Le Furs Nachfolgern, Elie Tattevin, hat uns mit seinen Beschreibungen<br />

von Mythen, Ritualen und der alltäglichen Lebenswelt der Sa wertvolle frühe<br />

Zeugnisse über deren Kultur hinterlassen, die viel Einfühlungsvermögen und<br />

Verständnis zeigen. Tattevin berichtet in einem 1927 in der „Revue d’Histoire<br />

des Missions“ erschienenen Beitrag mit dem Titel „Sur les bords de la mer sauvage“<br />

über das gol. Darin liefert er, in einem allerdings kaum zwei Seiten langen<br />

Abschnitt, eine Beschreibung der Vorgänge, ohne diese jedoch weiter zu<br />

interpretieren. Die nächste bekannte Veröffentlichung datiert aus dem Jahre<br />

1955 und stammt von Irving und Electa Johnson, die das gol in einem Beitrag<br />

für das amerikanische Magazin „National Geographic“ schildern. Sie teilen al-<br />

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