20.11.2013 Aufrufe

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Symbolische Dimensionen des gol. Versuch einer Analyse<br />

gleichbares Bild: Das Wort für die Steinzirkel, an denen die Schweine getötet<br />

werden, ot oder or, bringt der Linguist John Layard mit dem Begriffen wur (Hafen)<br />

bzw. wuru (diejenigen, die uns Schutz geben, uns versorgen) in Verbindung.<br />

Weiter stellt Layard die Verbindung zum indonesischen batu her (geboren<br />

oder wiedergeboren werden) (Layard 1942). Margaret Jolly legt den Gedanken<br />

nahe, man könne die Begriffe ot oder or als eine Art rituelle Gebärmutter verstehen.<br />

Somit würde auch in dieser Veranstaltung, durch den rituellen Akt des<br />

Schweinetötens auf dem „Gebärmutteraltar“, die Beziehung eines Initianden zu<br />

seinem Mentor oder seinen Mentoren symbolisch einer neuen Geburt gleichkommen,<br />

weil diese dem Initianden Leben in Form eines neuen Titels bzw. Namens<br />

schenken (Jolly1994a). Auch hier stoßen wir also m.E. auf das Motiv einer<br />

erneuten Geburt bzw. symbolischen Vaterschaft durch die Mentoren. Verweise<br />

auf die besonderen prokreativen Fähigkeiten der Männer finden sich aber auch<br />

in der Vorstellung, der MB (tsik) könne in seiner Rolle als uot die Fruchtbarkeit<br />

seiner ZD (alak) durch bloßes Handauflegen kontrollieren (vgl. Kap. 12.1).<br />

Auch bei der Betrachtung der Herkunftsmythen der buluim von Bunlap haben<br />

wir die Vorstellung kennengelernt, bestimmte Männer (der remlili buluim)<br />

könnten über das Zeichnen eines aus zwei ineinander liegenden Kreisen bestehenden<br />

Symbols in die Erde Land in Besitz nehmen – auch durch dieses Symbol,<br />

das man als Anlehung an eine Gebärmutter verstehen kann, begegnet uns<br />

die in der Sa Kultur überall präsente Vorstellung männlicher Prokreationskraft.<br />

Implizit wird die Autochthonie der Männer auch durch die stets sichtbar vorhandene,<br />

strenge Trennung des Raumes betont, die v.a. dazu da ist, die Männer<br />

vor den verunreinigenden Kräften der Frauen zu schützen: Männer und Frauen<br />

kochen und essen getrennt voneinander, viele Bereiche der öffentlichen Sphäre,<br />

in denen sich männliche Kraft besonders gut entfalten soll bzw. muß, sind den<br />

Frauen verboten: die Männerhäuser, der Tanzplatz, der Bauplatz des tarbe-gol,<br />

der Wald, in dem das Holz für den Turm gefällt wird usw.<br />

Es sollte hier generell gezeigt werden, wie die Vorstellung männlicher Prokreationskraft<br />

viele entscheidende Institutionen der Sa Kultur prägt. Wie sehr die Sa<br />

auch die besonderen prokreativen Fähigkeiten des Turmes tatsächlich ernst nehmen,<br />

zeigt sich z.B. daran, daß sie vom gol melala als „Zwillingsturm“ sprechen.<br />

Eher zufällig stieß ich während eines Gespräches mit Chief Willi Orian<br />

Bebe hier auf die emische Vorstellung, daß durch den Turm „Kinder“, hier konkret<br />

Zwillinge, zur Welt gebracht werden. Aufschlußreich war auch ein Gespräch<br />

mit Chief Warisul, in dem er mir schilderte, welches Unbehagen er dabei<br />

empfand, als auf der Westseite der Insel in mehreren Fällen ungenutzte Türme<br />

einfach angezündet wurden, weil keine Touristen gekommen waren und man<br />

den Turm entsorgen wollte. In den Augen der kastom Männer aus Bunlap handelt<br />

es sich dabei um ein gefährliches Sakrileg: einen noch „jungfräulichen“ tarbe-gol<br />

zu verbrennen, der seiner ureigenen Aufgabe, der Produktion von „Kindern“<br />

noch nicht nachgekommen ist, kommt in ihren Augen einer ähnlichen<br />

„Verschwendung“ gleich, wie einem fortpflanzungsfähigen menschlichen Kör-<br />

- 328 -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!