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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Die zweite Geschichte des gol: Revitalisierung durch Tourismus<br />

aus, daß, mit Ausnahme von Bunlap, jedes Dorf durchschnittlich zwischen drei<br />

und vier Turmspringen pro Saison durchführt, kommt man auf die Zahl von etwa<br />

30 Veranstaltungen jährlich. 219 Im Vergleich zu 1980 entspricht dies einer<br />

Zunahme um den Faktor 10 bzw. von 1000%. Inzwischen hat sich zumindest in<br />

Teilen bewahrheitet, was Watas Molmas aus Bunlap schon in den 70er Jahren<br />

befürchtete: die skul Männer von der Westküste haben das Wissen der kastom<br />

Leute aufgegriffen und kommen in vielen Belangen ohne ihre Brüder von der<br />

Ostküste aus, zumindest die Türme bauen sie nun in fast allen Fällen selbst. Diese<br />

erfüllen zwar in der Regel nicht die strengen Anforderungen der Spezialisten<br />

aus Bunlap an Größe, Qualität und Ästhetik, aber den Besuchern fällt das nicht<br />

auf. Zwar ruft man die kastom Männer und Frauen zum Tanzen, Singen und<br />

manchmal auch für die Sprünge selbst, aber mit der zahlenmäßigen Inflation<br />

geht auch eine Degeneration der Veranstaltung einher, mit der die Weitsichtigen<br />

unter den kastom Leuten nicht einverstanden sind. Allerdings sind auch sie de<br />

facto bereits auf die gestiegene Nachfrage eingegangen, so wurden doch auch in<br />

Bunlap in den Jahren 2001 und 2002 erstmals zwei gol pro Jahr veranstaltet.<br />

Man steht dieser Entwicklung skeptisch, aber auch hilflos gegenüber, wie ein<br />

Gespräch mit Chief Warisul zeigt:<br />

Auszug aus einem Gespräch mit Chief Warisul<br />

Was das gol angeht – auf der anderen Seite (Westseite von Pentecost, T.L.) überschreitet man<br />

die Grenzen von kastom. Wenn man das gol wirklich respektiert, dann bedeutet das, daß es<br />

nur eines pro Jahr und Dorf geben kann - (zögert… T.L) oder höchstens zwei. Aber jetzt, da<br />

es mit Geld verbunden ist, kann man sehen, daß es viele gol auf der anderen Seite gibt. Das<br />

überschreitet seine Grenzen. Eine Sache, die wir immer wieder untereinander besprechen ist<br />

die, daß es nur ein oder zwei gol pro Jahr geben soll. Eines hier bei uns, und eines auf der<br />

anderen Seite. Das wäre viel besser. Und es ist auch deswegen nicht gut, weil es jetzt um Geld<br />

geht. Das gol wird jetzt nach den Touristen ausgerichtet, die von weit weg, von Übersee<br />

kommen. Einige kommen im April, andere kommen im Mai oder Juli, und das bedeutet, daß<br />

sich das gol danach richten muß. Wir sollten ein starkes Gesetz machen und sagen, daß ab<br />

jetzt nur noch drei gol veranstaltet werden. Zwei auf der anderen Seite und eines in Bunlap.<br />

Das wäre gut für uns. Manche Touristen sind nicht gut. Denn wenn wir das so machen würden<br />

(einen Termin setzen, T.L.), dann sagen sie, ich habe aber nur zu dieser oder jener Zeit<br />

Ferien. Und das führt dazu, daß der Weiße dafür verantwortlich ist, daß es so viele gol gibt.<br />

Aber wenn der weiße Mann sehen würde, daß wir kastom respektieren und nur zwei oder drei<br />

gol im Jahr veranstalten würden, dann würde er eben zu der von uns bestimmten Zeit kommen.<br />

Das wäre richtig. Aber jetzt sehen wir, daß es ganz viele gol auf der anderen Seite gibt.<br />

Das hat mit den „bookings“ der Touristen zu tun. Sie richten sie sich nach ihren Ferienzeiten,<br />

nicht nach kastom. Wenn ein Tourist sagt: zu diesem Termin wollen wir kommen und ein gol<br />

sehen, dann sagt er es seinem Agenten und der sagt es uns, hier im Süden von Pentecost. Und<br />

die Agenten bestimmen dann, ich brauche noch ein gol am 1. April, und noch ein gol am<br />

219 Tatsächlich ist der Homepage der zentralen Tourismuskoordination von Vanuatu, dem<br />

„Vanuatu Tourism Office“<br />

http://www.vanuatutourism.com/vanuatu/cms/en/culture/nagol.html zu entnehmen, daß im<br />

Jahr 2006 mehr als 50 gol angeboten wurde. Zieht man in Betracht, daß, aufgrund von<br />

schlechten Wetters oder mangelnden Buchungen, nicht alle Veranstaltungen auch wirklich<br />

abgehalten wurden, dürften die oben genannten Zahlen einen realistischen Mittelwert bilden.<br />

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