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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Körper und Kleidung: bi pis und rahis als Fanal für kastom<br />

Gespräch mit Chief Telkon über bi pis als Symbol für kastom:<br />

„Es ist schon lange her, ich war damals ein junger Mann, so wie Du heute. Wir bekamen über<br />

das Radiotelefon die Nachricht, daß eine Gruppe weißer Männer zu uns kommen wollte, um<br />

das Turmspringen zu sehen. Und ein Mann war dabei, der Schmetterlinge fangen wollte. Im<br />

Hotel (nicht näher bezeichnet, T.L.) hatte man den Männern gesagt, sie sollten nach Bunlap<br />

kommen. Hier gebe es noch echten kastom. Kastom ist noch stark in Bunlap. Also wollte das<br />

Hotel, daß wir die Leute am Flughafen abholten. Aber wir durften nichts anderes tragen als bi<br />

pis, weil die Manager vom Hotel das so wollten, damit die Weißen sehen könnten, wie stark<br />

kastom bei uns noch ist. Das war zu dieser Zeit aber eine ziemlich gefährliche Sache. Die skul<br />

Leute haßten uns, weil sie glaubten, daß wir Wilde waren und keinen Gott kannten. Aber wir<br />

waren stark und gingen in bi pis zum Flugplatz nach Lonoror, um die weißen Männer dort<br />

abzuholen. Wir waren zehn Männer, um das Gepäck der Weißen tragen zu können. Als wir<br />

nach Wali kamen (Church of Christ. T.L.), stand das halbe Dorf da, um uns den Weg zu versperren.<br />

Sie sagten, sie würden uns erschießen, wenn wir die Insel Pentecost und die Ehre<br />

ihres christlichen Dorfes beflecken würden, indem wir hier nackt herumliefen. Aber wir haben<br />

ihnen gesagt, daß wir vor ihnen hier waren, daß wir die wahren Hüter von Pentecost sind.<br />

Nach einiger Zeit haben sie uns dann doch durchgelassen. Es hat keinen Kampf gegeben, aber<br />

wir hatten Angst. Wir hatten keine Gewehre. Aber wir waren stark und sind nicht zurückgewichen.<br />

Wir sind bis nach Lonoror gegangen, um die Weißen abzuholen. Die sind dann in<br />

unser Dorf gekommen und haben uns Geld dafür bezahlt, kastom sehen zu dürfen. Die Weißen<br />

müssen dafür bezahlen. Es sind nicht die Weißen, die gegen kastom sind, gegen bi pis. Es<br />

sind unsere eigenen Leute. Sie haben damals nichts verstanden! Und heute? Heute ziehen sie<br />

selbst bi pis an. Aber nur deswegen, um den Touristen beim gol mehr Geld abnehmen zu<br />

können. Sie zeigen etwas, das ihnen nicht mehr gehört, denn sie haben nicht für das Recht<br />

bezahlt, bi pis oder Grassröcke zu tragen! Man muß dafür bezahlen. Kastom ist nicht umsonst.<br />

Aber auf der Westküste zahlen sie nicht dafür. Sie stehlen unseren kastom! “<br />

(Chief Telkon. Bunlap, August 2004)<br />

Schließlich unterstreicht auch das folgende Beispiel die herausragende Bedeutung<br />

von bi pis und rahis für das kastom Selbstverständnis. Während meines<br />

Feldaufenthaltes im Jahre 2002 kam ein Filmteam der französischen Firma<br />

ZED 57 ins Dorf, um mit großem personellem und technischem Aufwand eine<br />

TV-Dokumentation über das gol zu drehen. An einem der vielen verregneten<br />

Nachmittage saßen meine Partnerin Martina und ich mit einigen unserer Freunde<br />

aus Bunlap in unserer Hütte und scherzten über den immensen Aufwand, den<br />

57 ZED steht für „Zoo Ethnological Documentary“. Der Name ist Programm, ZED produziert<br />

teure, stereotype „Doku“-Stangenware. Die Filme von ZED handeln, so könnte man auf den<br />

ersten Blick meinen, von „wilden Tieren“ oder von „primitiven Völkern“. Das eigentliche<br />

Erfolgsgeheimnis der Firma besteht jedoch darin, beides miteinander zu kombinieren: wilde<br />

Tiere und archaische Mystik, eine überaus telegene Mischung, weshalb sich ZED Programme<br />

international sehr gut verkaufen lassen. Die Produzenten sind, anders als der Anspruch der<br />

Filme vielleicht vermuten ließe, keine Ethnologen sondern geschäftstüchtige Abenteurer bzw.<br />

Journalisten, die den stereotypen Vorstellungen ihrer Auftraggeber in den Redaktionen bestens<br />

zu entsprechen wissen. Typische Titel von ZED Produktionen sind „Becoming a Man in<br />

Melanesia“; „Becoming a Man in Africa“; „The Reindeer People“; „Jungle Nomads“; „The<br />

Sahara’s Secret Gardens“; “Messengers of Sulawesi”; “Te Master of the Spirits” usw.<br />

(http://www.zed.fr/movie.html, Stand: 14.10.2006).<br />

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