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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Gol und Mythos – Versuch einer Mythenanalyse<br />

zeugend nachgewiesen hat, eine eigene ratio innewohnt, die jedoch unserem,<br />

aus der griechisch-römischen Philosophie entlehnten Begriff der Logik, nicht<br />

entspricht. Insofern steht Hübner mit Jolles, Kerényi und anderen dem Begriff<br />

der „Mytho-Logie“ skeptisch gegenüber, weil sie den Versuch darstellt, zwei<br />

„widrige“ Methoden der Weltdeutung miteinander in Einklang zu bringen, die<br />

nicht miteinander im Einklang stehen können (vgl. f.a. Hübner 1985; Jolles<br />

1976:207) 233 . Überall dort, meint Jolles, wo das Gleichnishafte des Mythos als<br />

solches erkannt wird, wo logische Erkenntnis sich in die Form des Mythos kleidet,<br />

handelt es sich um ein „Analogon“, um eine Geschichte, die zwar die Form<br />

eines Mythos besitzt, aber dennoch kein Mythos ist, sondern eine Kunstform.<br />

Schließlich sei abschließend noch ein Satz von Karl Kerényi erwähnt, der den<br />

Kern der Sache ähnlich umfassend und intuitiv trifft, wie Blumenbergs Skizze<br />

vom homo pictor. Kerényi meint nämlich, und jüngst hat Hartmut Böhme diese<br />

These mit seinem Blick auf die auch in unserer Zeit überall stets vorhandenen<br />

Elemente des Mythos eindrucksvoll belegen können, daß der Mythos letztlich<br />

eine immer gleich aktuell bleibende Lebens- und Handlungsform darstelle (Kerényi<br />

1976; Böhme 2006). Menschen verhalten sich zum Mythos und wenn sie<br />

das tun, erübrigt sich jede weitere Frage nach dem Grund dafür. Diese besondere<br />

Dimension der im Mythos vorgetragenen Geschichten ist auch das treffendste<br />

Argument für die Behauptung, sagt Lévi-Strauss, daß der Mythos überall auf der<br />

ganzen Welt von Menschen – unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund –<br />

als Mythos erkannt wird (Lévi-Strauss 1977:231). 234<br />

16.2 Der gol Mythos und seine Varianten<br />

Betrachten wir nun verschiedene Varianten des gol Mythos, die ich zwischen<br />

1997 und 2004 im Sa Gebiet aufgezeichnet habe. Nachdem ich während meinen<br />

ersten beiden Aufenthalten in den Jahren 1997 und 2002 zunächst den Eindruck<br />

gewonnen hatte, es gebe keine nennenswerten Variationen des Mythos, stellte<br />

sich dann bei meiner Wanderung durch das Sa Gebiet im Oktober und November<br />

2004 heraus, daß dies doch der Fall ist. Ich konnte insgesamt fünf solche<br />

Variationen erfassen. 235<br />

233 Auch ich verwende aus den genannten Gründen den Begriff „Mythologie“ in dieser Arbeit<br />

nicht.<br />

234 Diese These baut allerdings auf der Annahme auf, daß alle Kultur im Kern auf den immer<br />

gleichen Strukturen basiert.<br />

235 Die hier aufgeführten Mythen sind von mir im Feld direkt aus dem Bislama ins Deutsche<br />

übertragen worden, ohne den Originaltext aufzuzeichnen. Leider ließ sich dieses Versäumnis<br />

im Nachhinein nicht mehr korrigieren. Auch hier verweise ich aber auf Hans Fischer, der in<br />

seinem Vergleich von verschiedenen Fassungen des „Geist frißt Kind“ Mythos der Wampar<br />

keine gravierenden Sinn-Unterschiede zwischen Pidgin- und Wampar-Versionen feststellen<br />

konnte (Fischer 2006).<br />

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