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VORWORT DES HERAUSGEBERS - Thorolf Lipp

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Ordnung von Raum und Zeit<br />

essen. Die Zeit im Männerhaus ist dazu gedacht, die Jungen<br />

von ihren Müttern zu trennen und langsam an ihre eigentliche<br />

Welt, das Männerhaus, das man als eine Art künstlicher Gebärmutter<br />

betrachten kann, heranzuführen. Hier im Männerhaus<br />

sollen die Knaben möglichst viel männliche Energie in<br />

sich aufnehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten<br />

Melanesiens, gibt es bei den kastom Sa keine Prüfungen oder<br />

ein rituelles Erschrecken der Jungen, jedenfalls wurde mir<br />

nichts davon berichtet und auch Jolly erwähnt nichts Entsprechendes<br />

(Jolly 1994a:156).<br />

Zwei bis vier Wochen nach der Beschneidung, wenn die Wunden<br />

abgeheilt sind, findet dann das taltabwean Fest statt, das,<br />

neben Tänzen, im Wesentlichen aus einer großen Präsentation<br />

von Yams und Taro besteht, wobei die Familien der beschnittenen<br />

Jungen versuchen, sich in Quantität und Qualität der<br />

präsentierten Knollen gegenseitig zu übertreffen. Während<br />

Jolly meint, daß dies der Moment sei, herzhaft über die Länge<br />

einzelner, besonders großer Yamswurzeln zu scherzen, und sie<br />

mit dem (großen) Penis ihrer Erzeuger in Verbindung zu bringen<br />

(1994a:157), wurde mir gegenüber), nichts dergleichen<br />

erwähnt. Neben verschiedenen Tänzen besteht das Ritual vor<br />

allem aus einer großen Umverteilung von Gütern, vor allem<br />

Taro und Yams, Schweinen, 98 Rindern und Geld. Die Geber<br />

sind die Väter der Jungen, die Empfänger zunächst die loas<br />

Priester, denen man für ihre gelungene Arbeit dankt. Darüber<br />

hinaus beschenken die Väter ihre lo sal Berechtigten, in diesem<br />

Fall die Verwandten der Mütter der Neophyten. 99<br />

Beschneidung und taltabwean Ritual sind typische Initiationsriten,<br />

in denen die Knaben des Dorfes von den Männern im<br />

Männerhaus „neu geboren“ werden. Die Symbole von Geburt,<br />

Tod und daher Übergang, sind unübersehbar: Die Kokoswedel<br />

und –matten, in die man die Knaben im Männerhaus bettet,<br />

erinnern an die Zeit des Säuglingsalters. Daß die Neophyten<br />

von den letztjährigen Initianden auf dem Rücken getragen<br />

werden, erinnert ebenfalls an die Zeit, als sie von ihren Müttern<br />

so herumgetragen wurden, deren Rolle jetzt jedoch von<br />

den Männern selbst übernommen werden kann. Die Zeit im<br />

dunklen Männerhaus kann man als Reifezeit in der männlichen<br />

Sphäre betrachten, die so betrachtet, eine große künstliche Gebärmutter<br />

darstellt. Andererseits sind auch Symbole des Todes<br />

unübersehbar. Die wilden Schreie der Mütter, die zu hören<br />

sind, wenn die Knaben beschnitten und ins Männerhaus gebracht<br />

werden, erinnern an die Schreie, mit denen man die<br />

98 Jolly zählte bei einem taltabwean in Bunlap Mitte der 70er Jahre 4500 Taro, 2500 Yams,<br />

400 Kokosnüsse, zwei Rinder, mehrere Schweine, batsi Matten und Geld.<br />

99 Was Jolly m.E. nicht verstanden hat, ist der Umstand, daß die lo sal Zahlungen in Form von<br />

Schweinen, Matten etc. nicht mehr Teil des eigentlichen taltabwean Rituales sind, sondern<br />

eigene Rituale darstellen bzw. bereits Teil des warsangul-Systems sind, hier Wahbo und Pas<br />

mbuian; vgl. Kap. 12.1.<br />

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